Sturz vom E-Scooter – Hohes Verletzungsrisiko

Veröffentlicht am 27.03.2025
Fahrradhelme bieten beim Sturz mit einem E-Scooter Schutz, doch das Risiko für schwere Kopfverletzungen bleibt bestehen. Eine internationale Studie unter Beteiligung der DEKRA Unfallforschung sowie Wissenschaftlern aus Frankreich und Kanada analysierte erstmals experimentell die biomechanischen Belastungen bei einem Unfall mit 20 km/h. Während Helme die direkte Aufprallenergie reduzieren, bleiben Rotationskräfte eine Gefahr für das Gehirn. Die Forschungsergebnisse liefern auch wichtige Impulse für zukünftige Helmnormen und Testmethoden.
 

Mit der zunehmenden Verbreitung von E-Scootern steigen auch die Unfallzahlen. 2023 verzeichnete die Polizei in Deutschland knapp 10.000 Unfälle mit E-Scootern, darunter 21 mit tödlichem Ausgang. Besonders bei Alleinunfällen ist die Dunkelziffer vermutlich hoch. Vor diesem Hintergrund untersuchte ein internationales Forschungsteam unter Leitung der DEKRA Unfallforschung zusammen mit der Université Gustave Eiffel in Marseille und der École de Technologie Supérieure in Montréal, welche Schutzwirkung Fahrradhelme bei einem Sturz mit dem E-Scooter tatsächlich haben.


Crash-Tests unter realistischen Bedingungen

Im DEKRA Crash Test Center in Neumünster wurden zwei typische Unfallmechanismen nachgestellt: Ein E-Scooter prallte mit 20 km/h entweder frontal oder schräg gegen einen Bordstein. Ein Dummy, der in einigen Versuchsreihen einen Fahrradhelm trug und in anderen nicht, simulierte die Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Sensoren erfassten die biomechanischen Belastungen, die auf Kopf und Nacken wirkten. Die gewonnenen Daten lieferten wertvolle Erkenntnisse zur Schutzwirkung von Helmen bei E-Scooter-Unfällen.

Die Messwerte zeigen, dass ein Helm den direkten Aufprall auf den Kopf abfedert und dadurch das Verletzungsrisiko verringert. Dennoch bleibt die Gefahr durch Rotationskräfte bestehen, die insbesondere bei einem schrägen Sturz auf das Gehirn wirken. Solche Drehbewegungen sind häufig die Ursache für Gehirnerschütterungen und andere schwerwiegende Hirnverletzungen. Auch der Nacken ist erheblichen Belastungen ausgesetzt, da der Kopf abrupt in Bewegung versetzt wird. Daher kann ein Helm zwar die Schwere von Verletzungen mindern, bietet aber keinen vollständigen Schutz vor traumatischen Kopfverletzungen.

Konsequenzen für Helmnormen und Prüfverfahren

Aktuelle Normen für Fahrradhelme konzentrieren sich vor allem auf den Schutz vor geradlinigen Aufprallkräften. Die Studienergebnisse legen jedoch nahe, dass auch Rotationsbelastungen berücksichtigt werden sollten. Da diese Kräfte nicht nur bei E-Scooter-Stürzen, sondern auch bei Fahrradunfällen eine Rolle spielen, könnte eine Anpassung der Testmethoden die allgemeine Helmsicherheit verbessern.

Ein entscheidender Faktor bei E-Scooter-Unfällen ist die Art des Aufpralls. Die Studie zeigte, dass ein frontal auftretender Sturz andere Belastungen verursacht als ein schräger Aufprall. Während ein direkter Anprall meist zu einem linearen Stoß auf den Kopf führt, entsteht bei einem schrägen Aufprall eine Rotationsbewegung. Diese Drehkräfte sind besonders kritisch, da sie das Gehirn im Schädel in Bewegung versetzen und dabei schwerwiegende Verletzungen wie diffuse axonale Schädigungen auslösen können. Helmhersteller stehen daher vor der Herausforderung, nicht nur die direkte Aufprallenergie, sondern auch die Rotationskräfte besser zu absorbieren.

Unterschiede zwischen Fahrrad- und E-Scooter-Stürzen

Ein Vergleich zwischen Stürzen von Fahrrädern und E-Scootern zeigt einige wesentliche Unterschiede. Während Fahrradfahrer oft in Bewegung sind, wenn sie stürzen, kommt es bei E-Scootern häufig zu einem abrupten Stopp durch Hindernisse wie Bordsteinkanten oder Schlaglöcher. Dies führt zu einem anderen Sturzverhalten: Fahrer werden häufig nach vorne oder seitlich über den Lenker geschleudert, was das Risiko für Kopf- und Gesichtsverletzungen erhöht. Gleichzeitig haben E-Scooter kleinere Räder, die anfälliger für Unebenheiten sind, was zu plötzlichen Kontrollverlusten führt. Helmtests sollten diese Unterschiede berücksichtigen, um realistischere Sicherheitsbewertungen zu ermöglichen.

Moderne Helmtechnologien wie das „Multi-directional Impact Protection System“ (MIPS) wurden entwickelt, um die Auswirkungen von Rotationskräften zu minimieren. MIPS-Helme verfügen über eine bewegliche Zwischenschicht, die eine gewisse Drehbewegung absorbieren kann und so das Risiko von Hirnverletzungen verringert. In der DEKRA-Studie kam ein Standardhelm ohne MIPS zum Einsatz, weshalb sich weitere Untersuchungen lohnen würden, um den Nutzen solcher Technologien speziell für E-Scooter-Fahrer zu analysieren. Andere innovative Lösungen, wie Helme mit integrierten Dämpfungssystemen oder Airbag-Helme, könnten ebenfalls dazu beitragen, die Sicherheit weiter zu verbessern.

Gesetzliche Vorgaben und mögliche Anpassungen

Die aktuellen gesetzlichen Vorschriften zur Nutzung von E-Scootern variieren je nach Land. In Deutschland besteht beispielsweise keine Helmpflicht für E-Scooter-Fahrer, obwohl Unfallstatistiken zeigen, dass Kopfverletzungen bei dieser Fortbewegungsart besonders häufig sind. Angesichts der Forschungsergebnisse stellt sich die Frage, ob eine Helmpflicht – ähnlich wie bei Motorrädern – für E-Scooter-Fahrer sinnvoll wäre. Auch die Normen für Fahrradhelme könnten überarbeitet werden, um eine bessere Schutzwirkung gegen Rotationskräfte sicherzustellen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Unfallforschern, Helmherstellern und Gesetzgebern könnte dazu beitragen, zukünftige Sicherheitsstandards anzupassen und das Verletzungsrisiko weiter zu reduzieren.


Fazit

Die Forschung zeigt, dass Helme beim E-Scooter-Fahren zwar Schutz bieten, jedoch nicht alle Verletzungsrisiken eliminieren. Besonders die Gefahr durch Rotationskräfte verdeutlicht den Bedarf an innovativen Helmtechnologien und angepassten Prüfstandards. Die Ergebnisse der Studie könnten dazu beitragen, zukünftige Helme sicherer zu machen und ihre Schutzwirkung gezielt zu verbessern. Quelle: DEKRA

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