Am 26. November knisterte erneut die Luft im Atelier-Theater in Köln. Rund 70 Gäste aus der Automobilwirtschaft und Aftermarket erwarteten mit Spannung die Vorträge der hochkarätigen Redner und nutzten den neunten Automotive Talk Köln für angeregte Gespräche und intensive Diskussionen. Veranstalter und Organisator René Hermann, Herausgeber des Online-Portals AMupdate.de , war es nicht nur gelungen, Top-Speaker zu gewinnen, sondern auch den kurzfristigen, krankheitsbedingten Ausfall eines der Redner durch eine ebenso kurzfristige Neubesetzung auszugleichen. So konnte sich das Publikum über ein volles Programm und inspirierende Themen freuen. Dem Zeitgeist entsprechend ging es dabei um künstliche Intelligenz und digitale Produkte sowie deren Einsatzmöglichkeiten oder den Umgang mit Secure Gateways. Abschließend gab einer der größten Teile-Großhändler in Deutschland Einblicke in seinen Umgang mit einem sich verändernden Markt.
Die AI hat immer Zeit
Zum Auftakt startete Philipp Merlitz, Senior Sales Manager Automotive bei T-Systems, mit der Frage, wie sich künstliche Intelligenz (AI) im Bereich von Sprachsystemen für einen besseren Kundenservice nutzen lässt. Die Entwicklung der Spracherkennung hat das Thema in den letzten Jahren auf ein neues Level gehoben. Systeme wie Siri, Alexa oder zuletzt ChatGPT zeigen, wie eine flüssige Kommunikation mit Hilfe künstlicher Intelligenz heute laufen kann. Im Gegensatz zu den heute noch in Call-Centern und Hotlines weit verbreiteten Voice-Assistenten („Drücke die 1 für…) erspart ein auf künstliche Intelligenz basiertes Sprachsystem nicht nur die Programmierung von Entscheidungsbäumen, sondern kann die Mitarbeiter auch beim Verkauf von Zusatzleistungen entlasten und kennt außerdem keine Sprachbarrieren.
„Der menschliche Kontakt soll nicht ersetzt werden, aber AI kennt keine Sprachbarrieren und hat immer Zeit“,
so Merlitz. So ließen sich mittels „Conversational AI“ zusätzliche Potentiale im Verkauf von Serviceleistungen erschließen, gleichzeitig könnten sich Mitarbeiter auf komplexere Themen fokussieren. Anhand von bereits durchgeführten Projekten zeigte Merlitz, wie das in der Praxis funktionieren kann.
Irgendwas mit KI
Um den Einsatz künstlicher, respektive vernetzter Intelligenz ging es auch in dem Vortrag von Sophia Bartsch, Chief Operating Officer der Ahead Automotive GmbH. Das Tech-Joint-Venture mit Partnern wie Hella, ZF, Varta und Niterra hat sich auf die Fahnen geschrieben, digitale Innovationen in den Aftermarket zu bringen und die Branche bei dem Schritt in die Zukunft zu begleiten. Dazu stellte Sophia Bartsch beispielsweise den KI-basierten Werkstatt-Bot „Qira“ vor, ein intelligenter Werkstatt-Assistent, der ab Anfang 2025 in die Werkstätten Einzug halten soll. Sie skizzierte weiter die Herausforderungen und Chancen der Automotiv-Branche, insbesondere wie man spezifische Lösungen gewinnbringend für das eigene Unternehmen nutzen kann.
„Die gute Nachricht: KI bedeutet große Umstellungen und auch Investment, aber es wird sich lohnen. Es ist ein Pfad, den wir beschreiten müssen, wollen wir zukunftsfähig bleiben“,
so Sophia Bartsch.
Barriere- und andere Freiheiten
Auch das Unternehmen von Jan Kus, Geschäftsführer der Railslove GmbH, beschäftigt sich mit der Entwicklung digitaler Produkte und Apps. Der kurzfristig eingesprungene Redner schilderte an verschiedenen Fall-Beispielen, wie innovative, digitale Produkte entwickelt werden. So hat man mit Ampido ein smartes Parkplatzmanagement in Echtzeit umgesetzt oder mit Panion, einer Tochter von ABB E-mobility, ein Dashboard zur Entscheidungsfindung bei der Elektrifizierung von Fahrzeugflotten realisiert. Außerdem ging Jan Kus darauf ein, in welchem Maße das BFSG, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, in die Entwicklung digitaler Produkte einfließt.
„Wenn wir Apps oder digitale Anwendungen barrierefrei machen, sind sie zu einem Teil auch schon SEO-optimiert“,
so Kus.
Secure Gateways für den Aftermarket
Das Thema „Security Gateways“ hat sich das Unternehmen Carglass schon vor einigen Jahren auf die Fahnen geschrieben und gemeinsam mit ATU den Schritt vor den Europäischen Gerichtshof gewagt. Matthias Wittenberg, Head of Key Account Management, und Florian Merker, Group Legal Counsel, erklärten, was diesen Schritt aus ihrer Sicht notwendig machte und welche Auswirkungen auf den Aftermarket daraus resultieren. „Security Gateways sollten das System im Fahrzeug schützen, doch für den freien Markt war es eine Art Bezahlschranke“, so Wittenberg, und weiter:
„Wir sahen eine Begrenzung des Wettbewerbs und keine fairen Bedingungen für den Aftermarkt, deshalb sind wir den Schritt vor den EuGH gegangen“.
Der Autoglas-Spezialist war durch die bisherige Regelung stark betroffen, bei jährlich 1,3 Millionen in Deutschland ausgelieferten Scheiben entstanden durch die in immer mehr Fällen notwendige Kalibrierung der Fahrassistenten hohe Kosten der Datenbeschaffung über Security Gateways. „Das EuGH-Urteil, welches auf den Schutz des fairen Wettbewerbs zwischen OE und Aftermarket abzielt, ist ein wichtiger Meilenstein für die Beseitigung wettbewerbswidriger Praktiken“, so Florian Merker.
100 Jahre erfolgreich
Teile-Großhändler Schäferbarthold sieht sich als Spezialist für Spezialisten und versorgt seit 100 Jahren seine Kunden mit Ersatzteilen. Geschäftsführer Dr. Christian Schäferbarthold stellte in seinem Vortrag das Unternehmen vor und vor allem, wie es auch heute nach vielen Wendungen, Transformationen und Disruptionen im Aftermarket noch erfolgreich ist. „Für dieses Jahr haben wir ein Wachstum von acht Prozent erreicht“, so Schäferbarthold. Im Gegensatz zu anderen Großhändlern ist Schäferbarthold allerdings überwiegend im Bereich der Autohäuser und Vertragswerkstätten, aber auch in spezialisierten Werkstätten, die früher mal einen Vertrag hatten, unterwegs. Der Geschäftsführer zeigte auf, wie sich sein Unternehmen auf die Veränderungen im Autoteilehandel durch die E-Mobilität eingestellt hat. Er analysierte dazu den Fahrzeugmarkt heute und in Zukunft in Europa und die entsprechende Entwicklung im Ersatzteilmarkt. Sein Fazit: „Es ist ein schleichender Prozess, aber der Aftermarket wird kontinuierlich zur Ader gelassen“, so Schäferbarthold. Sein Erfolgsrezept:
„Wir reisen nicht in die Zukunft, sondern wir müssen sie gemeinsam aufbauen“.
Ein passendes Schlusswort für eine Veranstaltung voller zukunftsträchtiger Themen, die im Anschluss bei einem hervorragenden Catering und dem ein oder anderen Kölsch vertieft wurden
Sie haben diesen denkwürdigen Abend verpasst? Kein Problem, der nächste Automotive Talk ist bereits in Planung und findet am 08.05.2025 statt. Infos und Tickets unter www.amtalk.de