Die neue Regierungskoalition hat ihren politischen Fahrplan vorgestellt. Aus Sicht der Automobilbranche enthält der Koalitionsvertrag einige konstruktive Ansätze, bleibt aber in mehreren Punkten zu unkonkret. Der VDA erkennt erste Fortschritte, etwa bei der steuerlichen Förderung von E-Mobilität, mahnt jedoch ein zügiges und praxisnahes Handeln an. Für den wirtschaftlichen Neustart braucht es mehr als Absichtserklärungen – gefragt sind konkrete Maßnahmen.
Industriepolitische Signale mit Potenzial
Das klare Bekenntnis zur Rolle Deutschlands als Industriestandort wird grundsätzlich positiv bewertet. In der jetzigen Lage, geprägt von geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, ist eine handlungsfähige Regierung entscheidend. Die geplante Einrichtung eines Deutschlandfonds kann Impulse für Investitionen setzen – insbesondere im Mittelstand und bei wachstumsstarken Unternehmen. Entscheidend wird sein, wie einfach der Zugang zu Kapital gestaltet wird und ob bürokratische Hürden abgebaut werden.
Zwar wird die Bedeutung des Automobilsektors als wirtschaftliches Rückgrat anerkannt, doch fehlt es in vielen Bereichen noch an der notwendigen Tiefe. Zahlreiche Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt, was bei Unternehmen eher Zurückhaltung auslöst als Investitionsdynamik erzeugt.
Maßnahmen für E-Mobilität greifen – mit Einschränkungen
Positiv hervorgehoben werden steuerliche Instrumente zur Förderung der Elektromobilität. Die Verlängerung der Kfz-Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge sowie die Einführung von Sonderabschreibungen und ein höherer Preisdeckel für Dienstwagen schaffen neue Anreize. Auch die geplante Reduktion der Stromsteuer auf EU-Niveau kann die Betriebskosten für Nutzer von E-Fahrzeugen deutlich senken.
Dennoch bleibt der Aus- und Aufbau der Lade- und Wasserstoffinfrastruktur eine offene Baustelle. Für Nutzfahrzeuge fehlen bislang verbindliche Ausbauziele. Zudem bedarf es klarer Fördermodelle für Haushalte mit niedrigerem Einkommen, um die Nachfrage nicht auszubremsen. Auch die Anhebung der Entfernungspauschale bewertet der VDA als sachgerecht, allerdings als punktuelle Maßnahme ohne große Breitenwirkung.
Technologieoffenheit braucht verbindliche Grundlagen
Der Verweis auf technologieoffene Lösungen wird als grundsätzlich richtiger Ansatz gesehen. Was jedoch fehlt, sind konkrete Schritte zur Umsetzung – etwa in Bezug auf europäische Vorgaben zur CO₂-Regulierung. Auch für Plug-in-Hybride sind bisher keine klaren Förderkriterien benannt. Hier besteht die Gefahr, dass in Brüssel Fakten geschaffen werden, bevor Berlin praktikable Lösungen bietet.
Die Automobilindustrie benötigt verlässliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Vermarktung alternativer Antriebe. Dazu zählen nicht nur rechtliche Klarheit, sondern auch technische Förderkulissen und eine industriepolitische Begleitung durch die öffentliche Hand.
Energieversorgung: Weichenstellungen mit Bedeutung für den Mittelstand
Die geplanten Maßnahmen zur Stabilisierung der Strompreise stoßen auf Zustimmung. Mit der Absenkung der Stromsteuer und der Deckelung von Netzentgelten sollen wichtige Kostenfaktoren für Industrie und Gewerbe entschärft werden. Auch der angestrebte Ausbau der Gaskraftwerke kann helfen, die Versorgungssicherheit zu verbessern. Der geplante Kapazitätsmechanismus soll zusätzlich sicherstellen, dass Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht bleiben – technologieoffen und marktorientiert.
Die Erkenntnis, dass Deutschland dauerhaft auf Energieimporte angewiesen sein wird, zeigt eine realistische Einschätzung der geopolitischen Lage. Entsprechend ist der Aufbau belastbarer Energiepartnerschaften von strategischer Bedeutung.
Steuerliche Entlastungen – ein gemischtes Bild
Die Ankündigung einer Unternehmenssteuerreform wird als grundsätzlich positiv bewertet, auch wenn deren Startzeitpunkt erst im Jahr 2028 liegt. Die Beibehaltung des Solidaritätszuschlags trübt jedoch das Bild. Eine sofortige steuerliche Entlastung wäre aus Sicht des VDA dringend notwendig, insbesondere um Standortnachteile im internationalen Vergleich zu vermeiden.
Wichtig ist, dass Entlastungen nicht nur Kapitalgesellschaften erreichen, sondern auch Personengesellschaften einbezogen werden. Der sogenannte Investitions-Booster kann unterdessen punktuell Investitionsbereitschaft wecken – entscheidend wird sein, wie praxistauglich das Instrument ausgestaltet wird.
Digitalisierung, Bürokratieabbau und Außenwirtschaft
Die geplante Digitalisierung öffentlicher Verwaltung wird vom VDA begrüßt. Eine zentrale Plattform für Verwaltungsprozesse kann langfristig Planungsverfahren beschleunigen und Genehmigungszeiten verkürzen. Das angekündigte Digitalministerium bietet hierfür die nötige Struktur, muss seine Aufgaben nun aber schnell in funktionierende Prozesse überführen.
Beim Thema Außenwirtschaft setzt der Koalitionsvertrag auf Kontinuität und neue Impulse zugleich. Die Ratifizierung bestehender EU-Abkommen sowie neue Freihandelsverträge – etwa mit den USA – sind wichtige Schritte für eine exportorientierte Industrie. Ebenso gilt es, das Verhältnis zu China differenziert, aber wirtschaftsfreundlich zu gestalten.
Fazit
Der Koalitionsvertrag zeigt, dass die neue Bundesregierung um die Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland weiß. Wichtige Themen wie Industriepolitik, Digitalisierung und Energiekosten werden adressiert. Doch bei vielen Vorhaben fehlt es an Klarheit, Tempo und konkreten Maßnahmen. Gerade für die Automobilindustrie ist entscheidend, dass technologieoffene Lösungen zügig unterstützt, Investitionen erleichtert und bürokratische Belastungen reduziert werden. Nur so entsteht der notwendige Handlungsspielraum für eine wirtschaftliche Trendwende. Quelle: VDA