Der freie Kfz-Ersatzteilmarkt und seine strategische Rolle

Veröffentlicht am 27.03.2025
Der unabhängige Kfz-Ersatzteilmarkt (IAM) ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Automobilbranche und trägt maßgeblich zur wirtschaftlichen Stabilität, Innovation und nachhaltigen Mobilität bei. Eine von FIGIEFA und Euractiv organisierte Podiumsdiskussion verdeutlichte die Herausforderungen des Sektors, darunter der Zugang zu Fahrzeugdaten, die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft sowie die Notwendigkeit fairer Wettbewerbsbedingungen. Besonders hervorgehoben wurde der enorme wirtschaftliche Einfluss des IAM, der Millionen von Arbeitsplätzen sichert und überdurchschnittlich in Forschung und Entwicklung investiert. Die Debatte unterstrich die Dringlichkeit, den IAM stärker in die europäische Industriepolitik einzubeziehen.
 

Der unabhängige Kfz-Ersatzteilmarkt (IAM) spielt eine Schlüsselrolle in der europäischen Mobilitäts- und Wirtschaftspolitik. Dennoch findet dieser Sektor in vielen politischen Strategien bislang nur unzureichende Beachtung. Eine hochrangige Podiumsdiskussion, die von FIGIEFA und Euractiv veranstaltet wurde, setzte sich mit den aktuellen Herausforderungen und Chancen des Aftermarket auseinander. Neben politischen Entscheidungsträgern nahmen auch Vertreter der Industrie und Verbraucherverbände an der Debatte teil. Besonders im Fokus standen der Zugang zu essenziellen Fahrzeugdaten, die Förderung nachhaltiger Geschäftsmodelle sowie die Notwendigkeit einer stärkeren Einbindung des IAM in den „Aktionsplan für die Automobilindustrie“ der EU.


Der IAM als Wirtschaftsfaktor: Innovation und Arbeitsplätze

Ein zentrales Thema der Diskussion war der wirtschaftliche Stellenwert des IAM, der weit über den reinen Teilehandel hinausgeht. Die von Roland Berger durchgeführte Aftermarket Panorama Studie zeigt, dass dieser Sektor über 3,2 Millionen Menschen in Europa beschäftigt und damit eine tragende Säule der Industrie darstellt. Zudem fließen 4–5 % des Jahresumsatzes in Forschung und Entwicklung – eine Investitionsquote, die viele andere Branchen übertrifft. Trotz dieser Bedeutung wird der IAM in industriepolitischen Strategien häufig übersehen.

Ein zentrales Problem für unabhängige Marktteilnehmer ist der ungehinderte Zugang zu Fahrzeugdaten, technischen Funktionen und digitalen Schnittstellen. Während das kürzlich verabschiedete EU-Datengesetz bereits einige Grundlagen für eine faire Datenverfügbarkeit geschaffen hat, wurde in der Diskussion betont, dass branchenspezifische Regelungen erforderlich sind, um Werkstätten und Teilehändlern langfristige Planungssicherheit zu bieten. Ohne eine klare gesetzliche Grundlage besteht die Gefahr, dass Fahrzeughersteller den Zugriff auf relevante Daten einschränken und damit den Wettbewerb verzerren.

Kreislaufwirtschaft und Reparierbarkeit

Die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft in der Automobilbranche war ein weiteres zentrales Thema der Veranstaltung. Besonders im Hinblick auf Elektrofahrzeuge wurde diskutiert, wie sich Reparaturfähigkeit, Wiederaufbereitung und die Nutzung gebrauchter Fahrzeugteile verbessern lassen. Eine nachhaltige Strategie setzt voraus, dass Batterien von E-Fahrzeugen nicht nur effizient genutzt, sondern nach ihrer ersten Lebensphase einer Weiterverwendung zugeführt werden. Darüber hinaus erfordert die Transformation der Branche kontinuierliche Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass Werkstätten mit den neuen technologischen Anforderungen Schritt halten können.

Die zunehmende Digitalisierung verändert den Kfz-Ersatzteilmarkt grundlegend. Vernetzte Fahrzeuge generieren eine enorme Menge an Daten, die sowohl für Fahrzeughersteller als auch für unabhängige Werkstätten und Teilehändler von Bedeutung sind. Moderne Geschäftsmodelle basieren zunehmend auf datengetriebenen Services, darunter vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), automatisierte Bestellprozesse und digitale Kundenplattformen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen im IAM in neue Technologien investieren und sich auf den digitalen Wandel einstellen. Eine offene und faire Dateninfrastruktur ist dabei essenziell, um Innovationen im freien Markt zu ermöglichen und den Wettbewerb mit herstellergebundenen Serviceangeboten zu gewährleisten.

Rechtliche Rahmenbedingungen und der Einfluss der EU-Gesetzgebung

Die Regulierung des Kfz-Ersatzteilmarktes ist ein komplexes Thema, das auf europäischer Ebene stetig weiterentwickelt wird. Neben dem bereits verabschiedeten Datengesetz gibt es weitere relevante rechtliche Entwicklungen, etwa die Überarbeitung der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung (Kfz-GVO), die den Wettbewerb zwischen Fahrzeugherstellern und freien Marktteilnehmern regelt. Eine klare und einheitliche Gesetzgebung ist entscheidend, um sicherzustellen, dass Ersatzteilhändler, Werkstätten und Verbraucher gleiche Chancen auf dem Markt haben. Die Vertreter des IAM fordern von der EU-Kommission daher gezielte Maßnahmen, um den Zugang zu essenziellen Fahrzeuginformationen dauerhaft sicherzustellen und wettbewerbsverzerrende Praktiken zu unterbinden.

Der technologische Wandel stellt nicht nur Unternehmen, sondern auch das Fachpersonal im IAM vor große Herausforderungen. Die zunehmende Elektrifizierung der Fahrzeuge, die steigende Komplexität moderner Fahrzeugsysteme und neue gesetzliche Anforderungen machen eine kontinuierliche Weiterbildung für Kfz-Fachkräfte unerlässlich. Gleichzeitig hat die Branche mit einem akuten Fachkräftemangel zu kämpfen, der durch den demografischen Wandel und sinkende Ausbildungszahlen verstärkt wird. Um dem entgegenzuwirken, sind gezielte Initiativen zur Förderung der beruflichen Qualifikation erforderlich. Dazu gehören praxisnahe Schulungsprogramme, Kooperationen zwischen Industrie und Bildungseinrichtungen sowie attraktive Karriereperspektiven für junge Nachwuchskräfte.

IAM als Treiber der nachhaltigen Mobilität

Mit dem wachsenden Fokus auf Umwelt- und Klimaschutz rückt der Kfz-Ersatzteilmarkt zunehmend in den Mittelpunkt nachhaltiger Mobilitätskonzepte. Die Reparatur und Wiederverwendung von Fahrzeugteilen trägt maßgeblich zur Ressourcenschonung bei und reduziert Abfallmengen. Insbesondere im Bereich der Elektromobilität gewinnt die Aufbereitung und Weiterverwendung von Komponenten, insbesondere von Hochvoltbatterien, an Bedeutung. Der IAM kann durch innovative Recycling- und Remanufacturing-Prozesse eine führende Rolle in der Kreislaufwirtschaft übernehmen. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sind jedoch langfristige politische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Anreize notwendig, die nachhaltige Geschäftsmodelle fördern und den freien Wettbewerb unterstützen.


Fazit

FIGIEFA bekräftigte zum Abschluss der Veranstaltung die Bereitschaft zur engen Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen. Um eine zukunftsfähige Automobilindustrie zu gewährleisten, muss der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs in den Blick genommen werden – vom Fahrzeugbau über die Nutzung bis hin zur Reparatur und Wiederverwertung. Der IAM leistet einen entscheidenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und sollte in der politischen Agenda entsprechend berücksichtigt werden. Quelle: FIGIEFA

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