EuGH-Urteil: Keine Secure Gateways mehr [Video]

Veröffentlicht am 18.02.2025
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sorgt für eine grundlegende Veränderung im Automotive-Aftermarket. Fahrzeughersteller dürfen den Zugang zu Fahrzeugdaten nicht mehr durch Secure Gateways einschränken, was freie Werkstätten und unabhängige Serviceanbieter erheblich entlastet. Carglass und ATU hatten die Klage angestoßen, um wettbewerbswidrige Praktiken zu beseitigen. Das Urteil stärkt den freien Wettbewerb und sichert Kfz-Betrieben den uneingeschränkten Zugriff auf Diagnose- und Kalibrierdaten. Welche Auswirkungen das EuGH-Urteil konkret hat und was sich für die Branche ändert, zeigt dieser Artikel.
 

Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil eine klare Entscheidung getroffen: Fahrzeughersteller dürfen den Zugriff auf Fahrzeugdaten nicht länger durch Secure Gateways beschränken. Das bedeutet, dass unabhängige Werkstätten wieder uneingeschränkt auf Diagnose- und Reparaturdaten zugreifen können – ohne zusätzliche Hürden oder hohe Kosten.


Diese Entscheidung geht auf eine Klage von Carglass und ATU zurück, die sich gegen den begrenzten Datenzugang gewehrt haben. Secure Gateways hatten in der Vergangenheit den Zugriff auf fahrzeugspezifische Daten erschwert, indem Monteure sich persönlich anmelden mussten und der Zugriff mit teils hohen Kosten verbunden war. Dies führte zu einem unfairen Wettbewerbsvorteil für markengebundene Werkstätten. Florian Merker von Carglass Österreich und Matthias Wittenberg von Carglass Deutschland referierten beim Automotive Talk Köln im November 2024. Weitere Artikel zum Automotive Talk Köln finden Sie in der Kategorie: Automotive Talk

Warum ist das EUGH-Urteil so wichtig?

Fahrzeuge sind zunehmend mit Assistenzsystemen und digitalen Steuergeräten ausgestattet. Die Diagnose und Kalibrierung dieser Systeme erfordert einen direkten Zugriff auf die Fahrzeugsoftware über die OBD-Schnittstelle. Secure Gateways blockierten diesen Zugang für freie Werkstätten, während markengebundene Betriebe uneingeschränkt darauf zugreifen konnten.

Das EuGH-Urteil stellt klar, dass diese Einschränkungen unzulässig sind. Die zentrale Aussage: Fahrzeughersteller dürfen den Datenzugang nicht an zusätzliche Bedingungen knüpfen, die nicht in der EU-Typgenehmigungsverordnung vorgesehen sind. Damit stärkt das Urteil den fairen Wettbewerb und sorgt für eine offene Servicelandschaft.

Wettbewerbsvorteile für den unabhängigen Aftermarket

Das Urteil hat weitreichende Folgen für den unabhängigen Aftermarket:

  • Freie Werkstätten erhalten uneingeschränkten Datenzugang, ohne auf Herstellerportale angewiesen zu sein.
  • Kosteneinsparungen für Betriebe, da keine zusätzlichen Gebühren für Datenzugang oder Diagnosesysteme anfallen.
  • Schnellere und effizientere Reparaturprozesse, da keine zeitraubenden Anmeldeverfahren mehr nötig sind.
  • Erhöhte Marktdurchdringung für unabhängige Serviceanbieter, die sich nun ohne Wettbewerbsnachteile positionieren können.

Diese Entwicklungen sind besonders relevant für Betriebe, die regelmäßig mit Fahrerassistenzsystemen arbeiten. Laut Prognosen von Carglass und ATU werden bis 2028 etwa 63 % aller Fahrzeuge auf dem deutschen Markt mit Assistenzsystemen ausgestattet sein.

Cybersecurity und Datenzugang: Kein Widerspruch

Fahrzeughersteller hatten argumentiert, dass Secure Gateways notwendig seien, um die Cybersecurity zu gewährleisten und Fahrzeuge vor Hackerangriffen zu schützen. Der EuGH hat jedoch klargestellt, dass Sicherheitsmaßnahmen bereits bei der Fahrzeugentwicklung in die Software integriert werden müssen – und nicht erst durch nachträgliche Zugriffsbeschränkungen für freie Werkstätten.

EU-weite Regularien wie die General Safety Regulation und die UN-Regelung 155 definieren klare Sicherheitsstandards für Fahrzeuge. Die Zugangsbeschränkungen durch Secure Gateways sind demnach nicht erforderlich, um die Cybersecurity zu gewährleisten.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das neue SERMI-System (Security Related Vehicle Repair and Maintenance Information). Dieses Verfahren betrifft jedoch nur die Zugriffsrechte auf sicherheitskritische Fahrzeugdaten, die vor Diebstahl und Manipulation geschützt werden müssen. Für allgemeine Diagnose- und Reparaturdaten sind keine zusätzlichen Zugangsbeschränkungen mehr zulässig.

Ein entscheidender Sieg für freie Werkstätten

Das EuGH-Urteil markiert einen bedeutenden Fortschritt für den freien Kfz-Aftermarket. Der uneingeschränkte Zugriff auf Fahrzeugdaten stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unabhängiger Werkstätten und sichert eine gerechte Marktordnung.

Das Landgericht Köln hat die Entscheidung des EuGH bestätigt und betroffene Fahrzeughersteller zur sofortigen Deaktivierung der Secure Gateways verpflichtet. Damit ist endgültig klargestellt: Der Datenzugang in der Fahrzeugdiagnose muss offen und fair bleiben.


Die Zukunft gehört einem freien, wettbewerbsfähigen Aftermarket – ohne künstliche Zugangshürden. Carglass / AMtalk

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