Über 3 300 Kilometer quer durch Europa – von Deutschland über Skandinavien bis ins tief verschneite Nordschweden: Bosch hat sein hydraulisches Brake-by-Wire-System unter realen Bedingungen getestet. Ziel der sechs Tage langen Fahrt war es, die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit des innovativen Bremssystems auf öffentlichen Straßen zu überprüfen. Brake-by-Wire ersetzt herkömmliche mechanische Bremsleitungen durch eine vollelektrische Signalübertragung.
Brake-by-Wire: Elektronische Bremskraftübertragung statt mechanischer Verbindung
Im Gegensatz zu konventionellen Bremssystemen kommt die neue Technologie von Bosch ohne direkte mechanische Verbindung zwischen Pedal und Bremseinheit aus. Stattdessen werden Bremsbefehle durch elektrische Signale über redundante Leitungen an das System übermittelt.
Dieser Aufbau bietet eine Reihe technischer Vorteile:
- Flexible Integration ins Fahrzeugdesign: Da keine feste Verbindung zum Bremspedal erforderlich ist, lassen sich die Bremskomponenten frei im Fahrzeug platzieren. Das schafft Raum für neue Innenraumkonzepte und reduziert bauliche Einschränkungen.
- Gewichts- und Platzersparnis: Die kompakte Bauweise senkt das Gewicht des Systems und ermöglicht eine platzsparendere Anordnung im Fahrzeug.
- Redundanz für erhöhte Sicherheit: Das System kombiniert einen By-Wire-Bremsaktuator mit einem ESP®-Modul. Beide Komponenten sind unabhängig an verschiedene Bordnetzkanäle angebunden und gewährleisten auch im Fehlerfall eine zuverlässige Bremsfunktion.
- Geeignet für automatisierte Fahrzeuge: Da das System ohne mechanische Verbindung arbeitet, ist es ideal für künftige hochautomatisierte Fahrzeuge, die hohe Sicherheitsanforderungen an die Bremssteuerung stellen.
Neben dieser hydraulischen Variante arbeitet Bosch zudem an einer rein elektromechanischen Brake-by-Wire-Lösung, die weitere Potenziale für Fahrzeughersteller eröffnen soll.
3 300 Kilometer Erprobung: Härtetest unter realen Bedingungen
Die Testfahrt startete im Südwesten Deutschlands und führte über Hamburg, Kopenhagen und Stockholm bis nach Nordschweden, wo sich das Bosch-Wintertestzentrum in Vaitoudden bei Arjeplog befindet. Unterschiedliche Klimazonen und Straßenverhältnisse stellten ideale Bedingungen dar, um die Leistungsfähigkeit des Systems unter variierenden Umweltbedingungen zu analysieren.
Für die Durchführung dieses Tests war eine Straßenzulassung in mehreren Ländern erforderlich, die Bosch nach Vorlage eines umfassenden Sicherheitskonzepts erhalten hat. Während der Fahrt wurden tausende Bremsvorgänge durchgeführt, um das Verhalten des Systems in verschiedensten Verkehrssituationen zu dokumentieren. Diese Daten fließen nun in die weitere Entwicklung ein und werden mit Simulationsergebnissen abgeglichen.
Sicherheit und Redundanz: Schlüssel für die Zukunft
Ein entscheidender Aspekt des Brake-by-Wire-Systems ist die integrierte Redundanz. Während herkömmliche Bremssysteme eine mechanische Verbindung als Notfalllösung aufweisen, setzt Bosch auf eine doppelte Absicherung durch zwei voneinander unabhängige hydraulische Bremsaktuatoren. Sollte ein Systemteil ausfallen, übernimmt das redundante System die vollständige Bremsfunktion.
Diese Architektur macht das System besonders geeignet für automatisierte Fahrfunktionen, da es die hohen Sicherheitsanforderungen erfüllt, die für Level-3- und Level-4-Autonomiestufen erforderlich sind. Für Fahrzeughersteller bedeutet dies eine zukunftssichere Technologie, die bereits heute die Weichen für kommende Entwicklungen stellt.
Integration in verschiedene Fahrzeugsegmente
Das Brake-by-Wire-System von Bosch wurde so entwickelt, dass es in unterschiedlichen Fahrzeugkategorien eingesetzt werden kann. Neben herkömmlichen Pkw profitieren insbesondere Elektrofahrzeuge von dieser Lösung.
- E-Autos: Ohne mechanische Kopplung lässt sich das Bremssystem flexibler an die Platzverhältnisse im Fahrzeug anpassen. Zudem kann die Bremskraftverteilung optimal auf die Rekuperation abgestimmt werden, um die Effizienz des Antriebsstrangs zu verbessern.
- Nutzfahrzeuge: In Lkw und Transportern ermöglicht die elektronische Ansteuerung des Bremssystems eine präzisere Steuerung der Bremskräfte, was sich positiv auf den Verschleiß und die Sicherheit auswirkt.
- Sportwagen: In Hochleistungsfahrzeugen erlaubt Brake-by-Wire eine schnellere und direktere Bremsansprache, was für ein sportliches Fahrerlebnis essenziell ist.
Potenzial für vernetzte und intelligente Mobilität
Brake-by-Wire ist nicht nur ein Meilenstein in der Fahrzeugtechnologie, sondern auch ein wichtiger Schritt in Richtung intelligenter Mobilität. In Verbindung mit modernen Fahrerassistenzsystemen lässt sich die Bremssteuerung mit anderen Fahrzeugsystemen vernetzen, um Bremsmanöver vorausschauend und situationsabhängig anzupassen.
Zudem ermöglicht die digitale Steuerung eine einfachere Software-Integration, wodurch zukünftige Funktionen per Over-the-Air-Update nachgerüstet werden könnten. Diese Modularität macht das System für Automobilhersteller besonders attraktiv, da sie flexibel auf neue Anforderungen reagieren können.
Ausblick: Marktstart und zukünftige Entwicklung
Bosch plant die Markteinführung des hydraulischen Brake-by-Wire-Systems ab Herbst 2025. Mehrere Fahrzeughersteller haben bereits Bestellungen aufgegeben. Das Unternehmen rechnet damit, dass bis 2030 rund 5,5 Millionen Fahrzeuge mit dieser Technologie ausgestattet sein werden.
Angesichts der zunehmenden Automatisierung und Elektrifizierung des Straßenverkehrs wird Brake-by-Wire eine zentrale Rolle in der Fahrzeugentwicklung der Zukunft spielen. Das System bietet nicht nur technische Vorteile, sondern stellt auch eine Grundlage für die nächste Generation sicherer und effizienter Bremslösungen dar.
Fazit
Der erfolgreiche Langstreckentest zeigt, dass das neue Brake-by-Wire-System von Bosch bereit für den Einsatz auf öffentlichen Straßen ist. Die Kombination aus elektrischer Signalübertragung, verbesserter Redundanz und flexiblerer Integration macht die Technologie besonders zukunftsfähig – sowohl für konventionelle als auch für automatisierte Fahrzeuge. Mit dem geplanten Marktstart 2025 setzt Bosch einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung der Bremsentechnologie. Quelle: Bosch