Die Einhaltung der CO₂-Flottenziele stellt die Automobilbranche in Europa vor erhebliche Herausforderungen. Während die Branche hohe Summen in Elektromobilität und alternative Antriebe investiert, sind die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch nicht optimal ausgestaltet. Besonders problematisch sind die schleppende Nachfrage nach E-Fahrzeugen sowie eine unzureichende Ladeinfrastruktur. Im strategischen Dialog mit der EU fordert der VDA daher gezielte Korrekturen an der bestehenden Regulierung.
Flexible Übergangsmechanismen statt unverhältnismäßiger Belastungen
Die europäische Automobilbranche plant bis 2029 Investitionen in Höhe von über 500 Milliarden Euro, um Forschung, Entwicklung und Produktionskapazitäten für klimafreundliche Fahrzeuge auszubauen. Doch selbst mit diesen Anstrengungen wird deutlich, dass die aktuellen Zielvorgaben nur schwer zu erreichen sind, wenn äußere Faktoren nicht mitberücksichtigt werden.
Ein zentraler Vorschlag des VDA ist die Einführung eines schrittweisen Übergangsmechanismus, der eine realistische Umsetzung der CO₂-Flottenvorgaben ermöglicht. Ähnlich wie bei früheren Regulierungen soll für die ersten beiden Jahre nach einer Zielverschärfung ein bestimmter Anteil der Neuzulassungen nicht in die Berechnung der Flottenemissionen einfließen. Diese Maßnahme soll Herstellern eine praktikable Anpassungsphase bieten und könnte auch für die Vorgaben der Jahre 2030 und 2035 übernommen werden.
Darüber hinaus spricht sich der VDA für eine technologieoffene Herangehensweise aus. Neben rein batterieelektrischen Fahrzeugen müssen auch alternative Antriebe wie Plug-in-Hybride über 2035 hinaus Berücksichtigung finden. Ein weiteres wichtiges Element ist die Anerkennung erneuerbarer Kraftstoffe als Lösung für eine klimaneutrale Mobilität. Eine spezielle Fahrzeugkategorie für ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betriebene Verbrenner könnte dabei als ergänzende Maßnahme sinnvoll sein.
Rahmenbedingungen entscheidend für den Erfolg der Transformation
Die Diskussion um Flottenziele zeigt eine grundlegende Problematik: Der reine Fokus auf Emissionswerte reicht nicht aus – es müssen auch die notwendigen infrastrukturellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Der VDA weist darauf hin, dass insbesondere die Ladeinfrastruktur, die Energiepreise und die Rohstoffversorgung erhebliche Defizite aufweisen, die den Wandel zur Elektromobilität bremsen.
Um die Einhaltung der CO₂-Ziele nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich zu machen, sollten folgende Maßnahmen priorisiert werden:
- Ausbau der Lade- und Wasserstofftankstelleninfrastruktur: Ohne ein flächendeckendes Netz bleibt die E-Mobilität für viele Verbraucher unattraktiv.
- Senkung der Energiepreise und Modernisierung des Stromnetzes: Wettbewerbsfähige Stromkosten und ein leistungsfähiges Netz sind essenziell für den Erfolg der Elektromobilität.
- Sicherung der Rohstoffversorgung: Die Abhängigkeit von Drittstaaten bei Batterierohstoffen und Halbleitern muss verringert werden.
Ein frühzeitiger Review-Prozess der bestehenden Regulierung, idealerweise bereits 2025, könnte dabei helfen, bestehende Defizite rechtzeitig zu erkennen und die politischen Maßnahmen entsprechend anzupassen.
Technologievielfalt als Schlüssel zur CO₂-Reduktion
Die aktuelle Regulierung setzt stark auf batterieelektrische Fahrzeuge als zentrale Lösung für die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs. Doch Experten und Industrievertreter warnen davor, dass diese Fokussierung zu einseitig ist. Neben der Elektromobilität können auch synthetische Kraftstoffe, Wasserstoffantriebe und fortschrittliche Hybridtechnologien einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO₂-Emissionen leisten.
Besonders für den Nutzfahrzeugsektor und den Langstreckenverkehr bieten alternative Technologien entscheidende Vorteile. Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenfahrzeuge könnten beispielsweise eine sinnvolle Lösung für Lkw und Busse sein, während synthetische Kraftstoffe kurzfristig dabei helfen können, bestehende Verbrennungsmotoren klimafreundlicher zu betreiben. Eine stärkere Berücksichtigung dieser Technologien in der Regulierung würde die Flexibilität erhöhen und unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse abdecken.
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie sichern
Die derzeitige Regulierung hat nicht nur Auswirkungen auf die Klimaziele, sondern auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autohersteller im internationalen Vergleich. Während in anderen Märkten wie den USA oder China staatliche Subventionen und industriepolitische Maßnahmen gezielt zur Förderung der eigenen Automobilwirtschaft eingesetzt werden, sieht sich die europäische Industrie mit steigenden Produktionskosten und regulatorischen Vorgaben konfrontiert.
Besonders die hohen Energiepreise in Europa sind ein Standortnachteil. In China profitieren Hersteller von deutlich günstigeren Strompreisen und massiven staatlichen Investitionen in die Ladeinfrastruktur. In den USA wiederum wird der Aufbau einer eigenen Batteriezellenfertigung massiv gefördert, während in Europa viele Unternehmen weiterhin auf asiatische Zulieferer angewiesen sind.
Um die europäische Autoindustrie wettbewerbsfähig zu halten, fordert der VDA daher gezielte industriepolitische Maßnahmen, darunter:
- Steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung im Bereich nachhaltiger Antriebe
- Förderprogramme für den Aufbau einer europäischen Batterieproduktion
- Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise für die Industrie
Konsumentenvertrauen als entscheidender Faktor
Selbst wenn die Automobilindustrie die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen meistert, bleibt ein entscheidender Punkt bestehen: Ohne eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft wird der Wandel zur klimaneutralen Mobilität nicht gelingen. Viele Verbraucher zögern weiterhin, auf Elektromobilität umzusteigen – sei es aus Sorge über die Reichweite, die Ladeinfrastruktur oder die langfristige Werthaltigkeit von E-Fahrzeugen.
Ein zentraler Hebel für die Steigerung des Konsumentenvertrauens ist eine verlässliche und flächendeckende Ladeinfrastruktur. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Preisgestaltung: Elektromobilität muss für alle Einkommensschichten erschwinglich sein, weshalb gezielte Kaufanreize oder Steuervergünstigungen sinnvoll sein können.
Die Politik sollte daher neben den Vorgaben für die Industrie auch Maßnahmen ergreifen, um die Akzeptanz für neue Antriebsformen in der Bevölkerung zu steigern. Nur wenn Verbraucher mit Vertrauen auf Elektromobilität umsteigen, kann die Transformation des Verkehrssektors gelingen.
Fazit
Die Dekarbonisierung der Automobilbranche ist ein gemeinsames Ziel von Industrie und Politik. Doch ohne realistische Übergangsmechanismen, eine verlässliche Infrastruktur und faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen könnten die ambitionierten CO₂-Flottenziele unerreichbar bleiben. Die EU steht nun vor der Aufgabe, eine Balance zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zu finden – denn nur mit pragmatischen Lösungen wird eine nachhaltige Transformation gelingen. Quelle: VDA