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Der Verkehrssektor bis 2045 klimaneutral gestalten

Veröffentlicht am 22.05.2024

Deutschland steht vor der Herausforderung, den Verkehrssektor bis 2045 klimaneutral zu gestalten, ohne dabei zusätzliche Kosten zu verursachen oder die Mobilität einzuschränken. Eine aktuelle Studie von Agora Verkehrswende zeigt, dass dies möglich ist, wenn die Bundesregierung sofort umfassende Maßnahmen ergreift. Durch rechtzeitiges Handeln können langfristige Einsparungen erzielt und zusätzliche CO₂-Emissionen vermieden werden. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Dringlichkeit politischer Entscheidungen und bieten einen Fahrplan für eine nachhaltige Verkehrswende.


Dringlichkeit und Chancen der Verkehrswende

Die aktuelle Studie betont, dass Deutschland seine Klimaziele im Verkehr nur dann erreichen kann, wenn die Bundesregierung unverzüglich umfassende Maßnahmen ergreift. Im Falle eines verzögerten Handelns ab 2030 würden die gleichen Emissionsreduktionen Mehrkosten von etwa 500 Milliarden Euro verursachen. Das Referenzszenario, welches auf den derzeitigen Klimaschutzmaßnahmen basiert, prognostiziert eine Verfehlung der Klimaziele und zusätzliche 590 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen bis 2045.

Wiebke Zimmer, die stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, hebt hervor, dass politisches Zögern erhebliche finanzielle und ökologische Kosten nach sich zieht. Sie betont die Notwendigkeit höherer Anfangsinvestitionen, die langfristig jedoch keine zusätzlichen Kosten bedeuten würden. Es bedarf eines entschlossenen politischen Willens und einer wirtschaftslogischen Herangehensweise, um die Verkehrswende erfolgreich umzusetzen.

Unverzügliches Handeln als kosteneffiziente Lösung

Das unverzügliche Zielszenario zeigt, dass höhere Anfangsinvestitionen in den öffentlichen Verkehr und die Anschaffung von E-Fahrzeugen zu langfristigen Einsparungen führen können. Bereits ab den frühen 2030er Jahren lassen sich im Vergleich zum Referenzszenario finanzielle Vorteile erzielen. Diese resultieren aus höherer Energieeffizienz und einer Verlagerung des Verkehrs, wodurch weniger Ausgaben für Straßenfahrzeuge, Wartung, Kraftstoffe und Straßeninfrastruktur erforderlich sind.

Carl-Friedrich Elmer, Projektleiter Verkehrsökonomie bei Agora Verkehrswende, betont, dass entschlossener Klimaschutz nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch finanziell tragbar ist. Er fordert ein solides Finanzierungskonzept und geeignete Rahmenbedingungen für private Investitionen. Eine CO₂-orientierte Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen könnte hierbei ein erster Schritt sein.

Verkehrsverlagerung als Schlüsselfaktor

Ein bedeutender Unterschied zwischen den Szenarien zeigt sich in der Verkehrsverlagerung. Während im Referenzszenario der motorisierte Individualverkehr mit einem Anteil von fast 80 Prozent im Personenverkehr dominiert, sinkt dieser Anteil in den Zielszenarien auf unter 60 Prozent. Im Gegenzug steigt der Anteil von Bus und Bahn auf nahezu ein Drittel. Die Zielszenarien weisen eine Verdopplung der Transportleistung auf der Schiene und eine Verdreifachung bei Bussen im Vergleich zum Referenzszenario auf. Dies führt zu höheren Kosten für Personal im öffentlichen Verkehr, die jedoch durch digitale Lösungen wie selbstfahrende Busse und Bahnen perspektivisch gesenkt werden könnten.

Ein weiterer Unterschied besteht in der Entwicklung des PKW-Bestands. Im Referenzszenario steigt die Anzahl der Fahrzeuge von 47 Millionen im Jahr 2019 auf 54 Millionen im Jahr 2045, wobei 83 Prozent elektrisch betrieben werden sollen. In den Zielszenarien reduziert sich die Anzahl der Fahrzeuge auf 38 Millionen, davon ein Großteil elektrisch. Das unverzügliche Zielszenario zeigt, dass durch frühzeitiges Handeln der Anteil elektrischer Fahrzeuge höher und die Notwendigkeit kostspieliger Maßnahmen, wie die vorzeitige Stilllegung von Verbrennerfahrzeugen, geringer ist.

Notwendige Rahmenbedingungen und Investitionen

Um diese umfassenden Veränderungen zu realisieren, müssen verschiedene wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen erfüllt werden. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist dabei von zentraler Bedeutung. Deutschland benötigt ein dichtes Netz von Ladestationen, um die zunehmende Zahl von Elektrofahrzeugen zu unterstützen. Dies erfordert erhebliche Investitionen seitens der öffentlichen Hand sowie private Initiativen. Zusätzlich müssen Anreize für die Anschaffung von Elektrofahrzeugen geschaffen werden, wie z.B. Kaufprämien und steuerliche Vergünstigungen.

Darüber hinaus spielt der öffentliche Verkehr eine entscheidende Rolle bei der Verkehrswende. Ein gut ausgebautes und zuverlässiges öffentliches Verkehrsnetz kann den Individualverkehr erheblich reduzieren. Dies beinhaltet den Ausbau von Bus- und Bahnlinien, die Einführung von Expressbuslinien und die Integration verschiedener Verkehrsmittel. Es ist auch wichtig, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten, beispielsweise durch günstigere Tarife und eine bessere Taktung.

Die Rolle der Städte und Gemeinden

Die Rolle der Städte und Gemeinden darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Kommunen sind oft die Treiber für nachhaltige Mobilitätslösungen und können durch lokale Maßnahmen wie die Förderung von Fahrradverkehr, die Einrichtung von autofreien Zonen und den Ausbau von Fußgängerwegen einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Städte wie Kopenhagen und Amsterdam dienen hierbei als Vorbilder für eine erfolgreiche Umsetzung solcher Konzepte.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Digitalisierung und Vernetzung im Verkehrssektor. Smarte Verkehrsleitsysteme, Carsharing-Modelle und intelligente Mobilitätsplattformen können dazu beitragen, den Verkehr effizienter zu gestalten und die Nutzung von Ressourcen zu optimieren. Diese Technologien ermöglichen es, den Verkehr in Echtzeit zu steuern, Staus zu vermeiden und die Auslastung von Verkehrsmitteln zu erhöhen. Auch hier sind Investitionen in die Infrastruktur und die Entwicklung neuer Technologien unerlässlich.

Wirtschaftliche Vorteile der Verkehrswende

Langfristig gesehen kann die Verkehrswende auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Eine Studie des Umweltbundesamtes hat gezeigt, dass durch eine nachhaltige Verkehrspolitik nicht nur CO₂-Emissionen reduziert, sondern auch Arbeitsplätze geschaffen und die Lebensqualität verbessert werden können. Investitionen in den öffentlichen Verkehr und die Elektromobilität können neue Industriezweige fördern und Innovationspotenziale freisetzen.

Ein weiterer Vorteil einer konsequenten Verkehrswende ist die Reduktion von Luftverschmutzung und Lärm. Dies hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung und kann die Kosten im Gesundheitswesen senken. Studien haben gezeigt, dass eine Verringerung der Feinstaub- und Stickoxidbelastung zu einer deutlichen Reduktion von Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann.

Auch der Flächenverbrauch spielt eine wichtige Rolle. Durch eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs und eine verstärkte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln können große Flächen, die derzeit für Parkplätze und Straßen genutzt werden, für andere Zwecke freigemacht werden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Stadtentwicklung und die Schaffung von Grünflächen, die das Stadtklima verbessern und zur Lebensqualität beitragen.

Maßnahmen zur Förderung der Verkehrswende

Um die Verkehrswende zu fördern, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Dazu gehört die finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und den öffentlichen Verkehr sowie die Schaffung von Anreizen für die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Auch die Einführung einer CO₂-basierten Steuerreform und die Förderung von alternativen Antriebstechnologien sind wichtige Schritte.

Darüber hinaus müssen städtebauliche Konzepte entwickelt werden, die den öffentlichen Verkehr und nachhaltige Mobilitätslösungen unterstützen. Dies beinhaltet die Förderung von Carsharing-Modellen, Fahrradverleihsystemen und innovativen Mobilitätsdiensten. Auch die Digitalisierung und Vernetzung im Verkehrssektor spielt eine entscheidende Rolle bei der Optimierung des Verkehrsflusses und der Effizienzsteigerung.

Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse der Studie „Verkehrswende als Mehrwert“ machen deutlich, dass ein sofortiges Handeln im Verkehrssektor nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft ist. Die höheren Anfangsinvestitionen in die Infrastruktur und die Förderung von E-Mobilität zahlen sich langfristig aus, indem sie zu Kosteneinsparungen und einer nachhaltigen Reduktion der CO₂-Emissionen führen.

Ein zögerlicher Ansatz würde hingegen nicht nur höhere finanzielle Kosten verursachen, sondern auch die Erreichung der Klimaziele gefährden. Um die Verkehrswende erfolgreich zu gestalten, sind politische Entschlossenheit und klare wirtschaftliche Rahmenbedingungen unerlässlich. Die Bundesregierung muss öffentliche und private Investitionen fördern und ein umfassendes Finanzierungskonzept entwickeln.


Die vollständigen Ergebnisse und politischen Empfehlungen der Studie sind im Bericht „Verkehrswende als Mehrwert“ zusammengefasst, der auf der Webseite von Agora Verkehrswende zum Download bereitsteht. Diese Studie bietet wertvolle Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen, die als Grundlage für die weitere Entwicklung einer nachhaltigen Verkehrspolitik dienen können. Quelle: Agora Verkehrswende

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