Im Automobilmarkt geht es derzeit turbulent zu. Viele Themen treiben die Markteilnehmer um und lassen sie nach neuen Lösungen suchen. Die Digitalisierung ist gerade im Independent Aftermarket (IAM) für viele noch eine Herausforderung, doch sie bietet auch Lösungen für eine stabile und erfolgreiche Geschäftsentwicklung. Im Rahmen des halbjährigen Automotive Talks gaben Stephan Bens und Nicole Marker Einblicke in die Digitalisierungsprozesse bei Carat, einem der größten Teilehandels Einkaufskooperationen in Deutschland, und zeigten gleichzeitig auf, wie der gesamte IAM von digitalen Werkstattprozessen profitiert.
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Plattform statt Shop
Seit über fünf Jahren beschäftigt sich die Carat-Gruppe mit dem Thema Digitalisierung. Zunächst entstand der Gedanke an einen Online-Shop.
„Aber wir sind eine Einkaufskooperation, kein Online-Händler. Unsere Aufgabe ist es, Großhandel und Werkstatt zu unterstützen“, so Stephan Bens.
So überlegte man in der Folge, wie das Geschäft der Werkstatt in Zukunft aussehen wird. Dazu wurde die gesamte Wertschöpfungskette beleuchtet.
„Bislang waren wir nie auf den Autofahrer fokusiert, für uns war der Kunde der Großhandel und dessen Kunde die Werkstatt“, so Bens weiter.
Doch die Bedeutung des Autofahrers wird im Hinblick auf den Teilehandel und das Werkstattgeschäft künftig eine größere Rolle spielen. So reifte die Erkenntnis, dass es keinen Online-Shop, sondern eine Plattform bzw. ein Netzwerk braucht, welches die Themen Teile und Service miteinander verbindet und die Prozesse in Zukunft effizienter und kostengünstiger abbilden lässt.
Kunde entscheidet mit
Der Markt ist stark in Bewegung. Der Fahrzeugbestand wird älter, Autofahrer lassen wieder mehr reparieren. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Vertragswerkstätten ab.
„Hier sehen wir eine Chance, die wir nutzen wollen und wobei wir die Werkstätten unterstützen müssen“, sagt Nicole Marker.
Klar ist aber, der Autofahrer wird nicht von heute auf morgen überzeugt, digitale Prozesse einzugehen. Genau wie bei den meisten Werkstätten braucht das noch Zeit. Die große Frage ist: Wer entscheidet in Zukunft, woher die Teile kommen? „Bislang war das überwiegend die Werkstatt, wir können uns aber auch vorstellen, dass dies künftig der Kunde indirekt entscheidet, indem wir ihn über eine Plattform akquirieren und den Auftrag an die Werkstatt weiterleiten“, fährt Nicole Marker fort. Mit Drivemotive betreibt die Carat heute schon eine Plattform, die Umsätze für den Handel über die Teile und für die Werkstatt über verkaufte Stunden generiert. Zusätzliche Geschäfte verspricht sich die Carat außerdem durch Provisionsmodelle in Zusammenarbeit mit Versicherern und Flotten. „Die Werkstatt wird künftig aufgrund der Veränderungen in der Mobilität auch Großkunden und Flotten bedienen müssen“, so Marker weiter.
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Praxisnahe Lösungen aufbauen
Die Belieferung mit Teilen erfolgt heute mehrfach täglich. „Wir können das Geschäft aber planbarer machen, wenn wir wissen: welches Fahrzeug kommt wann mit welchem Problem in die Werkstatt. Das verbessert die Planbarkeit beim Personal und der Teileverfügbarkeit“, erläutert Bens. Um dieses bewältigen zu können, braucht es digitale Prozesse und Automatisierungen.
„Das ist ein langer Prozess, wir müssen die Werkstätten hier mitnehmen und Lösungen praxisnah für die Werkstatt aufbauen“, so Stephan Bens.
So gibt es nicht eine große Lösung, sondern die digitalen Prozesse werden Schritt für Schritt umgesetzt, damit die Werkstatt mitwachsen kann. Am Ende, so das Ziel, sollen sich Automatismen einstellen, etwa um den Logistikprozess zu optimieren. Dies soll gemeinsam mit den Werkstätten geschehen, so aus nachgelagerten Prozessen automatisierte und parallele Prozesse entstehen. Verbesserungen betreffen etwa die Werkstattsuche bzw. Auffindbarkeit im Internet, aber auch die Online-Terminbuchung mit automatischer Weiterleitung der Fahrzeugdaten, generiert durch einen Fahrzeugscheinscanner, an das DMS. Im nächsten Schritt werden die Informationen auch an den Handel weitergeleitet, um die Teilelieferung auszulösen. Die Vernetzung mit der Industrie führt schließlich zu einem automatisierten Nachschublager.
Abschließend betont Stephan Bens noch einmal die Bedeutung des freien Zugangs zu den Fahrzeugdaten aus der Telematik:
„Diese sind die Grundlage für unser aller Geschäft. Sobald wir umfassende Fahrzeugdaten bekommen, werden sich daraus auch neue Geschäftsmodelle entwickeln. Deshalb ist es wichtig, dass wir Netzwerke aufbauen, den alten Wettbewerbsgedanken aufbrechen und verstärkt zusammenarbeiten“.
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