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BMW: Leder schneiden mit künstlicher Intelligenz

Veröffentlicht am 31.03.2023
 

Im BMW Group Werk in Dingolfing wird ein neues Verfahren für die Bewertung und den Zuschnitt von Leder eingesetzt, das schnell, präzise und umweltfreundlicher ist. Mithilfe der Automatischen Oberflächen-inspektion (AOI) können die Lederflächen für die Innenausstattung von BMW-Fahrzeugen besser bewertet und präziser zugeschnitten werden. Dies hat den Vorteil, den Lederverbrauch um etwa 15 Prozent zu senken, Ressourcen zu schonen und die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Außerdem verbessert es die Qualität der Schnittteile und verringert den Abfall erheblich.


Lederinterieur für BMW-Fahrzeuge: Kameratechnik für den geschärften Blick

Der große Scanner bewegt sich leise über die Lederhaut und erfasst mit seinen Kameras jede Unregelmäßigkeit und Kontur. Die gefärbte Ware wird auf dem Schneidetisch platziert und dient als Grundlage für die Herstellung von Sitzen mit Lederausstattung für einen BMW M3. Eine Abbildung der Lederoberfläche mit Punkten, Linien, farbigen Markierungen und Zahlen erscheint auf dem Bildschirm neben dem Scanner.

„Wir sehen hier, welche Flächen des Leders genutzt werden können und welche Bereiche Ausschuss sind“, erklärt Marco Loistl, Leiter Produktion und Instandhaltung der Individual Manufaktur im Werk Dingolfing.

Nun werden auf dem Bildschirm ineinandergeschachtelte Muster angezeigt, die das Programm in Sekundenschnelle auf der Fläche verteilt hat.

„Außerdem sucht das Programm die beste Lage für die Schnitteile.“

In der Individual Manufaktur des BMW Group Werks Dingolfing werden Interieur-Komponenten mit Sonderausstattung für BMW-Fahrzeuge hergestellt, wie zum Beispiel Instrumententafeln mit Lederbezug für BMW 3er, 4er, 5er, 7er und iX sowie Ledersitzbezüge für den BMW M3. Dieser Produktionsbereich ist vergleichsweise klein, und etwa 200 Mitarbeiter sind darin beschäftigt.

„Wir produzieren hier bestimmte Teile der Lederinnenausstattung, um das notwendige Wissen und die Kompetenz im Haus zu haben und so unsere Lieferanten besser unterstützen zu können.“

Natürlich wird auch die Produktion in Bezug auf Nachhaltigkeit und Abfallreduktion weiterentwickelt.

„Wenn man mit einem lebendigen Material wie Leder arbeitet, tut einem jeder Verschnitt, jeder nicht verwertbare Überrest in der Seele weh“, sagt Loistl. „Ist das Leder an einer Stelle aber fehlerhaft, können wir den Bereich nicht nutzen. Außerdem hat selbst die hochwertigste Lederhaut mal kleine Narben. Wenn solche Naturmerkmale zu ausgeprägt sind, kann an dieser Stelle nichts zugeschnitten werden.“

Am Schneidetisch nebenan beginnen vier oszillierende Messer, sich millimetergenau über die Lederhaut zu bewegen und schneiden die Einzelteile der Lederbezüge zu. Die fertigen Schnittteile werden dann in die Näherei gebracht.

Die BMW Group Individual Manufaktur, Inspektion, Nesting, Cutting: Mit KI zum perfekten Schnitt

Etwa 75 Prozent der Lederflachware, die aus nur gegerbten und gegebenenfalls gefärbten Glattlederstücken besteht, können je nach Einsatzgebiet für die Fahrzeugverwendung genutzt werden. Allerdings erschwert die natürliche, nicht-rechteckige Form der Tierhaut zusammen mit ihren Naturmerkmalen den Zuschnitt.

Um den nutzbaren Anteil des Leders zu maximieren und Verunreinigungen auf der Oberfläche zu vermeiden, hat die BMW Group Individual Manufaktur im Werk Dingolfing im Jahr 2018 begonnen, digitale Markierungen anstelle von Kreidestiften zur Kennzeichnung der Lederflächen zu verwenden. Doch auch ohne die Verwendung von Kreidestiften müssen die Mitarbeiter bei der Inspektion des Leders hoch konzentriert arbeiten, um kleinste Fehler wie beispielsweise Mückenstiche zu entdecken. Dies erfordert nicht nur anstrengende Arbeit für die Augen, sondern erfordert auch ständige Entscheidungen wie die Beurteilung der Akzeptabilität von Merkmalen oder Fehlern und die Klassifizierung der Stelle für den jeweiligen Bereich.

„Diese Arbeit kann man nicht lange am Stück machen“, sagt Loistl. „Auch deshalb haben wir angefangen, eine Erkennungssoftware mit dem Wissen unserer besten Mitarbeiter zu füttern.“

Eine vergleichbare Software wird bereits in der Herstellung von Glas eingesetzt, um Einschlüsse und Luftblasen im Material zu erkennen. Es war daher eine naheliegende Idee, eine Abwandlung der Software für die Inspektion von Leder zu entwickeln. Seit 2021 erfolgt die Inspektion der Flächenware aus Leder vollautomatisch durch das Programm, welches das Leder entsprechend der jeweiligen Klassen kategorisiert.

Digitaler Dreiklang für Umwelt, Mitarbeitende und Prozess

Die Entwicklung des Systems war anspruchsvoll, aber die Vorteile eines geringeren Ressourcenverbrauchs, sinkender Einkaufskosten und einer verbesserten CO₂-Bilanz zeigen, dass die Entscheidung richtig war. Die automatische Oberflächen-inspektion war der erste Schritt hin zu einem vollständig digitalen Prozess. Seit Anfang 2022 werden die digitale Inspektion und Klassifizierung der Lederfläche, das Nesting und das Cutting in einer Anlage durchgeführt. Beim Nesting werden die Schnittmuster für die Lederbezüge digital auf der verfügbaren Fläche platziert, und im anschließenden Cutting-Prozess wird die Ware von der Anlage geschnitten.

„Lederzuschnitt ist ein bisschen wie Plätzchen backen“, erklärt Loistl. „Man versucht, möglichst viele Schnittteile nebeneinander zu platzieren, damit so wenig Verschnitt anfällt wie möglich.“

Der neue Prozess hat deutlich positive Auswirkungen gezeigt: Obwohl die gleiche Menge an lederbezogenen Interieur-Teilen hergestellt wurde, konnte der Lederverbrauch im Werk Dingolfing um etwa 15 Prozent reduziert werden. Zudem ging die Anzahl der fehlerhaften Lederteile um 75 Prozent zurück. Die Digitalisierung ermöglicht eine effektivere Produktion und Kostenreduzierung, erleichtert die Arbeit der Mitarbeiter und trägt zur Schonung der Umwelt bei.

Ein paar Nachhaltigkeitsaspekte: übergreifende Standards, weniger CO₂ und pflanzliche Gerbstoffe

Obwohl die BMW Group ihren Kunden immer mehr hochwertige vegane Optionen für die Innenausstattung ihrer Fahrzeuge anbietet, bleibt Leder aufgrund seiner einzigartigen Haptik und Langlebigkeit weiterhin gefragt, insbesondere im Premium- und Luxussegment. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, geht es nicht nur um die Menge des verbrauchten Materials, sondern auch um die Art und Weise, wie das Leder gegerbt wird. Seit der Einführung des BMW i3 verwendet die BMW Group bereits eine chromfreie, auf Olivenblatt-Extrakten basierende Ware zur Gerbung des Leders. Diese nachhaltige Praxis wird auch beim aktuellen BMW iX fortgesetzt.

Wenn man den CO₂-Fußabdruck betrachtet, stammt etwa ein Fünftel der Emissionen aus der energie- und wasserintensiven Weiterverarbeitung von Leder, während die restlichen 80 Prozent von den Rindern selbst stammen. Wenn man den CO₂-Fußabdruck des gesamten Tieres betrachtet und ihn wertschöpfungsanteilig auf das Leder umlegt, so sind dem Material rund drei Prozent der CO₂-Emissionen des Tieres zuzurechnen. Obwohl die Automobilindustrie nur Leder von Rindern verwendet, die für die Fleisch- und Milchproduktion gezüchtet werden, sind lederfreie oder textile Alternativen ein wichtiger Schritt zur Reduzierung von CO₂-Emissionen. Deshalb erweitert die BMW Group ihr Angebot an hochwertigen Alternativen ohne Leder bis hin zur veganen Innenausstattung.

Weitere Aspekte der Nachhaltigkeit im Blick

Jedoch reicht der CO₂-Wert allein nicht aus, um die Nachhaltigkeit eines Materials zu bewerten. Aus diesem Grund hat die BMW Group auch alle anderen Aspekte der Nachhaltigkeit wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz, Tierwohl und verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung konsequent im Blick. Bereits Anfang 2022 hat sich das Unternehmen als weltweit zweiter Automobilhersteller der Leather Working Group angeschlossen. Das Ziel dieser Non-Profit- und Multi-Stakeholder-Organisation besteht darin, einheitliche Umwelt- und Sozialstandards für die weltweiten Leder-Lieferketten sicherzustellen und die Hersteller zu zertifizieren.


Die Leather Working Group vertritt etwa ein Viertel der weltweiten Lederproduzenten, von Gerbereien über lederverarbeitende Industrien und Verbände bis zu Händlern und Abnehmern. Für die BMW Group war der Beitritt zur Leather Working Group ein logischer Schritt, um die nachhaltige Produktion und Verarbeitung von Leder bereits beim Lieferanten zu fördern. Quelle: BMW

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