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Können E-Fluids das Ölgeschäft ersetzen?

Veröffentlicht am 07.03.2023
 

Der zuletzt stark wachsende Anteil an E-Fahrzeugen am Gesamtmarkt lässt in den Werkstätten auch die Befürchtungen bezüglich wegfallender Servicearbeiten wachsen. Vor allem das lukrative Ölgeschäft mit den Verbrennern scheint in Gefahr. Sicher ist, dass reine E-Fahrzeuge kein Motoröl brauchen. Doch die hohen Wachstumsraten gehen momentan überwiegend auf Hybride oder Plug-in-Hybride zurück, die Verbrennermotoren enthalten und somit die gleichen Serviceleistungen und damit auch Ölwechsel wie reine Verbrenner benötigen. Noch unklar ist auch, ob sich E-Fuels durchsetzen und die Präsenz von Verbrennern verlängern.


Die Schmierstoffindustrie ist sich jedoch in der Meinung einig, dass es noch auf längere Zeit ein Nebeneinander von Verbrenner- und E-Fahrzeugen geben wird. Dennoch haben viele Schmierstoffproduzenten bereits ein Portfolio an speziellen Schmier- und Kühlmitteln für Elektrofahrzeuge entwickelt, auch wenn der Bedarf im Aftermarkt noch kaum vorhanden ist.

Wie lange ist „Lifetime“

Doch was sind eigentlich E-Fluids, wo werden sie benötigt und warum? Unter den Begriff „E-Fluids“ fallen prinzipiell drei Produktgruppen: Getriebeöle, Kühlmittel und Fette. Die gab es bislang auch schon für Verbrenner, doch die Anforderungen sind im E-Fahrzeug ganz andere, die die Entwicklung neuer Betriebsmittel erforderten. Getriebeöle für E-Fahrzeuge sind beispielsweise deutlich dünner als herkömmliche. Dr. Karlfried Fuchs, Technical Support Advisor bei Petronas Lubricants Deutschland, erklärt:

„Beim E-Fahrzeug setzt die volle Kraft sofort ein, auch wenn die Leistungsabgabe über einen Konverter gesteuert wird. Das Öl muss also sehr schnell einen stabilen Schmierfilm aufbauen, der hohem Druck standhält. Gleichzeitig soll es sich durch geringe Reibungsverluste positiv auf die Reichweite auswirken. Beides geht nur mit dünnflüssigen Ölen, wie unserem Iona Integra in der Viskosität 75 W 70“.

Um der Belastung auch bei starken, sportlichen E-Fahrzeugen standzuhalten, werden dem Schmierstoff sogenannte EP-Additive (extrem pressure) beigefügt. Die Getriebeöle sind prinzipiell als Lifetime-Füllung ausgelegt:

„Es gibt aber keinerlei Erfahrungswerte, etwa wie lange die Additive wirksam sind, so dass wir im Moment von 200.000 km ausgehen“,

ergänzt Fuchs. Ein Geschäft für die Werkstatt winkt also nur bei Reparaturen oder wenn in bestimmten Anwendungsfällen das Öl frühzeitig gewechselt werden muss.

Erfahrung fehlt

Ähnlich verhält es sich mit den Schmierfetten, die an gelagerten Bauteilen im Elektrofahrzeug zum Einsatz kommen, insbesondere bei Fahrzeugen mit Radnaben-Motoren, aber auch in Radnaben selbst und Achslagern. Auch sie sind durch die Kraftentfaltung der E-Mobile hohen Belastungen ausgesetzt, müssen aufgrund hoher Drehzahlen sehr temparaturstabil sein und gleichzeitig beste Gleiteigenschaften haben, um die Reichweite nicht negativ zu beeinflussen.

„Die Fette sind deshalb teilweise Molybdän- oder Teflonhaltig. Die Schmierfette sind seitens der Hersteller ebenfalls als Lifetime-Füllung vorgesehen, aber auch hier gibt es noch keine Erfahrungswerte zur Haltbarkeit“,

erklärt Karlfried Fuchs. So wird es auch hier, vom Reparaturfall abgesehen, nur wenig Ersatzbedarf für die Werkstatt geben.

Thermofluid statt Motoröl

Interessant wird es für die Werkstätten bei der Kühlflüssigkeit, wobei diese in verschiedener Hinsicht nicht mit der Kühlflüssigkeit im Verbrenner zu vergleichen ist. Castrol bezeichnet sein Castrol ON EV Fluid beispielsweise als „Wärmemanagementflüssigkeit“, was den Einsatzbereich treffender beschreibt. Lesen Sie auch: Castrol on: Neue E-Fluids Marke. Sie dient der Direktkühlung der Batterie, was der Lebensdauer, Leistungsabgabe und Ladegeschwindigkeit zuträglich ist. Dazu werden die Batterien entweder komplett von der Flüssigkeit ummantelt oder sie durchdringt die Batterie in speziellen Kanälen. Dazu muss das Kühlmittel nichtleitend (dielektrisch) sein und die Batterie im optimalen Temperaturbereich zwischen 35 und 80 Grad C halten. Auch hier sorgen neben der Basisflüssigkeit, in der Regel auf Polyglykol-Basis, vor allem spezielle Additive für die Einhaltung des Temperaturfensters. Während im Sommer die Kühlung der Batterie im Vordergrund steht, muss diese im Winter geheizt werden. Aus der Kühlflüssigkeit wird dann eine Heizflüssigkeit, was durch chemische Prozesse in den Additiven erreicht wird. Weil die Eigenschaften der Additive im Zeitraum von etwa zwei Jahren verschleißen und nachlassen, die Kühlflüssigkeit aber entscheidenden Einfluss auf die Reichweite und die Lebensdauer der Batterie hat, ist ein regelmäßiger Wechsel angesagt. Und hier beginnt die gute Nachricht für Werkstätten: Vor allem Fahrzeuge mit großen Batterien im Unterboden benötigen rund 35 bis 50 Liter der Kühlflüssigkeit. Aufgrund der aufwändigen Entwicklungsarbeit und der Formulierung mit speziellen Additiven liegt der Preis rund drei- bis fünfmal so hoch wie bei herkömmlichen Kühlmitteln. Damit lässt sich ein rückläufiges Schmierstoffgeschäft zumindest teilweise auffangen.

Übersicht: am Markt verfügbare E-Fluids (kein Anspruch auf Vollständigkeit)


  • Castrol ON E-Getriebeöle D1 und D2, Castrol ON Thermal Management EV-Fluid, Castrol ON Grease EV Fluid
  • Fuchs BluEV DriveFluid (Getriebe), BluEV MotorGrease (Fette), BluEV Thermofluid
  • Liqui Moly Top Tec Gear EV 510 (Getriebe), FCF 20 (Kühlmittel, auch für Brennstoffzelle)
  • Petronas iona Integra (Getriebe), iona Thermal (Kühlflüssigkeit), iona Glide (Fette)
  • Total Quartz EV-Drive R 3.1 (Getriebe E-Auto), HI-Perf EV Drive MP 7.0 (Getriebe E-Motorräder)
  • ZF Lifeguard Hybrid 1/Hybrid 2, Lifeguard eFluid 1 (Getriebe)

Dieter / Bild: Petronas

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