Das weltweite „stottern“ der Lieferkette zeigt viele Facetten in unserer Branche. Zum einen Produktionsausfälle der Automobilindustrie und dem einhergehenden Rückgang der Neuwagenverkäufe. Zum anderen Lieferengpässe bei der Versorgung von Kfz-Ersatzteilen.
Ersteres, die negative Entwicklung des Neuwagenvertriebs hat indirekt positive Auswirkungen auf den unabhängigen Aftermarket. Siehe: Weniger Neuwagen = Gut für den Aftermarket. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der unabhängige Aftermarket bzw. Ersatzteilmarkt kurz und mittelfristig Marktanteile gewinnt. Doch zweitens: Die reduzierte Lieferfähigkeit der Industrie an Ersatzteilen führt zu neuen Herausforderungen der gesamten Branche. In der folgenden Kategorie finden sie weitere Meldungen: Lieferkette
Wieso kommt es zum Lieferengpass von Ersatzteilen?
Durch die ersten Lockdowns kam die gesamte Lieferkette unter immensen Druck. Grund dafür waren temporären Stilllegungen von Produktionen, die Schließung von wichtigen Häfen – was wiederum dazu führte, dass die Containerschiffe noch Tage vor den Häfen warten mussten und teilweise immer noch müssen bis sie entladen werden. Dies bringt wiederum die Logistik am Lande durcheinander.
Gleichzeitig stieg die Nachfrage an verschiedensten Produkten, insbesondere von Unterhaltungselektronik, die einen hohen Bedarf an Halbleitern und Computer-Chips benötigten. Die Halbleiterindustrie hat das getan, was jedes Wirtschaftsunternehmen macht. Sie bediente die Nachfrage. Wer zu erst bestellt, erhält auch als erstes die Ware. Da die Automobilindustrie jedoch noch im Lockdown war wurden die Kunden bevorzugt, die bereits wieder produzierten. Doch auch die Halbleiterindustrie hatte teilweise bzw. hat weiterhin Lieferengpässe für ihre Rohstoffe, was die Produktion und Lieferfähigkeit natürlich auch beeinträchtigt. Dies hat auch gravierende Auswirkungen auf die Zulieferer.
Hohe Nachfrage, zu wenig Kapazitäten und zu wenig Transportmöglichkeiten führen zum Lieferengpass auch von Kfz-Ersatzteilen.
Verfügbarkeit
Im ersten Corona-Jahr 2020 konnten Teilehändler durch gut bestückte Lager die Verfügbarkeit aller relevanten und wichtigen Ersatzteilen garantieren. Jedoch sah es im Jahr 2021 komplett anders aus, da Teilehändler bemerkt haben, dass die Bestellungen und Aufträge eingingen, jedoch das Lager schrumpfte. Was dazu führte, dass eine gewisse Flexibilität vom Kunden verlangt wurde und teileweise weiterhin auch wird. So werden einige bevorzugten Marken durch andere Marken gleicher Qualität ersetzt. Die Situation eskalierte Ende des Jahres 2021 als der größte, internationale Teilehändler LKQ von seinen Lieferanten forderte, seine Bestellungen zu priorisieren: LKQ will priorisiert werden. Die weltweite Einkaufskooperation Nexus Automotive Internationale verlangt eine bessere Kooperation.
Produktionsstandort
Zulieferer die Produktionsstandorte in Europa haben, haben zwar einen gewissen Standortvorteil. Jedoch sind diese auch auf Lieferungen aus Asien angewiesen. Das ist natürlich unterschiedlich je nach Produktgruppe und Lieferantenmanagement. Durch den temporären Stopp der Neuwagenproduktion konzentrierten sich einige europäische OES verstärkt auf die Produktion von Aftermarket-Teilen, vorausgesetzt die Lieferkette wurde nicht unterbrochen. Durch den erhöhten Wettbewerb in diesem Preissegment führte es zu Verdrängungen von Ersatzteil-Marken, die keine Verfügbarkeit gewährleisten können.
Weniger Eigenmarken – Mehr Qualitäts-Teile
Eine Verdrängung von Marken mit geringerer Marken-Bekanntheit insbesondere der Handelsmarken von Teilehändlern folgte in den vergangenen Monaten. Die Zulieferer konzentrieren sich auf ihre Premium-Marken um hier die Nachfrage zu decken. Das bedeutet, es werden vermehrt „matching-quality“ Teile verkauft bzw. verbaut, da teilweise Produkte im niedrigeren Preissegment nicht (mehr) vorrätig sind oder erst wieder aus Asien importiert werden müssen. Dies gibt auch den Fahrzeughersteller die Chance mehr OEM-Teile an freie Werkstätten zu verkaufen.
Erhöhte Frachtkosten
Eine weitere und wohl die größte Sorge der Industrie sind die steigenden Frachtkosten. Die Fachzeitung Logistik-heute.de berichtet: Der Preis für einen Container zum Transport von Waren von China nach Europa überstieg im vorherigen Jahr die 20.000 Dollar Marke. Das ist das sechs bis achtfache im Vergleich zu Vor-Corona. Hohe Liefergebühren garantieren jedoch keine schnelleren Lieferungen. Aktuell sind Produkte aus Asien ca. 8 Tage länger unterwegs. Also insgesamt bis zu 42 Tage. Gründe dafür sind ein Mangel an Container, Engpass der Lieferkapazität der Schiffe und die Verzögerung bei der Entladung. Experten sehen leider keine Entspannung im Jahr 2022. Ergo: Viele Ersatzteile, die normalerweise über Asien kommen sind aufgrund der höheren Transportkosten nicht mehr erschwinglich.
Fazit: Auswirkung auf den Aftermarket
Auch wenn es aktuelle Anspannungen der Lieferkette gibt, hatte die Aftermarket Branche ein erfolgreiches Jahr 2021 und sieht sogar ein mittelfristiges Wachstum. Der Produktionsstandort Europa wird gestärkt und aufgrund von Knappheit von Eigenmarken werden mehr Teile mit „matching Quality“ verbaut. Die hohen Frachtkosten dagegen haben weitreichende Auswirkung. Somit hat die Branche auch langfristig mit diesen Kostentreiber zu kämpfen. Harold / Bild: fis