In dem neu errichteten „Picking Lab“ am Fraunhofer IML können verschiedene Kommissioniertechniken und Software für die Lagerverwaltung getestet und verglichen werden. Davon profitieren die Forschung und die Industrie. Auf den ersten Blick sieht das „Picking Lab“ am Fraunhofer IML wie ein Lagerbereich im Kleinformat aus: Fachbodenregale mit verschiedenen Artikeln sind dort aufgebaut. Das Lab adressiert typische intralogistische Bereiche und Branchen, wie Kleinteilekommissionierung, E-Commerce und Lastenhandhabung. Das Picking Technology, Transfer, Training Lab (PT3L) wurde aufgebaut, um verschiedene Kommissioniertechniken in einer realitätsgetreuen Umgebung zu testen – sowohl neue Technologieentwicklungen der Forschenden, als auch bewährte Techniken wie die klassische Pickliste mit Scanner.
„Aktuell wollen viele Unternehmen ihr Lager digitalisieren, wissen aber nicht genau, welche technologischen Möglichkeiten es auf dem Markt gibt und welche Pickby-Methode oder welches Warehouse-Management-System (WMS) sich am besten für ihr Lager eignet. Deshalb bauen wir im Rahmen des „Leistungszentrums Logistik und IT“ ein Picking Lab auf, in dem die verschiedenen Hardware- und auch Softwarevarianten in einem Person-zur-Ware-Kommissioniersetting getestet werden können. Das Picking Lab schafft dabei standardisierte Testbedingungen mit hohem Praxisbezug“, erklärt Dr. Veronika Kretschmer, Senior Scientist am Fraunhofer IML.
Moderne Pick-by-Technologien, die aktuell in Lagern eingesetzt werden, sind unter anderem Smartglasses. Sie zeigen im Sichtfeld zusätzliche Informationen an, die die Mitarbeitenden zur Kommissionierung benötigen. Auch Pick-by-Voice oder Pick-by-Light sind häufig genutzte Technologien. Dabei werden Lagerarbeitende akustisch über ein Headset oder mithilfe von optischen Signalen durch den Kommissioniervorgang geleitet.
Vergleich von Technologien
Das Motto des Labs „Technology, Transfer and Training“ spiegelt die drei von den Forschenden verfolgten Ziele wider: In Bezug auf die Technologien vergleichen sie dafür beispielsweise klassische Techniken wie Picklisten, Scanner und Bildschirme mit modernen Anwendungen.
„Wir untersuchen und bewerten die Hardware und Software ganzheitlich nach ergonomischen Kriterien, der Benutzerfreundlichkeit im Rahmen der Mensch-Technik-Interaktion sowie nach objektiven Leistungskriterien“, erklärt Veronika Kretschmer.
Auch Eigenentwicklungen des IML werden im Picking Lab getestet: Ein Beispiel ist „mika“, ein Kommissionierassistent auf einer Fahrschiene, der die Stärken eines fest installierten Systems mit denen eines mobilen Assistenten vereint. Neben den technischen können auch mechanische Assistenzsysteme wie passive und aktive Exoskelette erforscht werden. Diese werden von Mitarbeitenden während der Kommissionierung getragen und sollen sie bei schweren Handhabungsvorgängen entlasten und unterstützen.
Die Forschenden planen außerdem, ein Bewertungsmodell für die unterschiedlichen Kommissioniertechniken zu erstellen sowie zukünftig WMS zu testen. Die Ergebnisse der Studien werden unter anderem in die Forschung transferiert. Dafür kooperiert das Fraunhofer IML mit dem Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen an der TU Dortmund sowie verschiedenen regionalen Forschungseinrichtungen mit Fokus auf die Mensch-Technik-Interaktion.
Tests und Trainings für Unternehmen
Im Rahmen des Picking Labs arbeitet das Institut mit verschiedenen Unternehmen zusammen: Zu den Partnern zählen der WMS-Anbieter Logistics Reply GmbH, der WMS- und Pick-by-Voice-Anbieter proLogistik GmbH + Co KG, dem ePaper- und Pick-by-Light-Anbieter Crosscan GmbH sowie dem Anbieter von Lager- und Betriebseinrichtungen BITO-Lagertechnik Bittmann GmbH, der ein ähnliches Testzentrum errichtet hat. Die Unternehmen profitieren ebenfalls vom Picking Lab und den Forschungsergebnissen. Sie testen damit ihre eigenen Entwicklungen und erhalten so eine Entscheidungsgrundlage für die passende Hardund Software in ihren Projekten. Anhand der Ergebnisse können die Technologien außerdem gemeinsam mit dem Fraunhofer IML weiterentwickelt werden, um sie passend zu den jeweiligen Lagerbedingungen der Unternehmen zu gestalten.
Das Picking Lab kann von den Firmen außerdem genutzt werden, um den Umgang mit neuen Technologien zu trainieren: Bevor Unternehmen eine neue Kommissioniertechnologie in ihrem Lager einführen, können sich Mitarbeitende im Picking Lab mit den Funktionsweisen vertraut machen. Auch im Bereich der Arbeitsorganisation können Prozesse und Arbeitszeiten simuliert werden. Die Arbeit im eigenen Lager wird dadurch effizienter und weniger fehleranfällig.
„Wir hoffen außerdem, dass die Firmen möglichst bald Besuchertage mit Führungen oder Workshops vor Ort durchführen können“, sagt Veronika Kretschmer.
Bisher war das aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich. Die Laufzeit des Picking Labs ist zunächst bis Ende 2021 festgelegt. Danach soll das Projekt am Fraunhofer IML verstetigt werden. Quelle: Fraunhofer IML