Der Winter kommt gern über Nacht: Wenn es am Abend noch trocken war, liegt am nächsten Morgen nicht selten Schnee auf der Fahrbahn, oder in schattigen Kurven lauert Eis. Insbesondere früh am Tag ist mit solchen Bedingungen zu rechnen, wenn Streudienste oder die Sonne die Gefahrenstellen noch nicht entschärft haben. Für das Fahren im Winter hat die GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung mbH einige Tipps zusammengestellt.
Eine klare Empfehlung: Ein Fahrsicherheitstraining ist eine optimale Vorbereitung. Dort werden ohne Risiko beispielsweise Ausweich- und Bremsmanöver sowie das Fahren auf Untergrund mit geringer Haftung geübt und die Reflexe passend geschult. Danach wird man vom Ernstfall weniger überrascht und reagiert häufiger richtig.
Ein Fahrsicherheitstraining schult die passenden Reflexe
Um auf ungewohnte Situationen im Straßenverkehr vorbereitet zu sein, helfen bereits ein paar einfache Überlegungen zur Fahrphysik. Bei widrigen Witterungsbedingungen sind beispielsweise die Bremswege länger. Notwendige Konsequenz: Stets mehr Abstand zum vorausfahrenden Wagen und Kreuzungen oder Ampeln mit reduzierter Geschwindigkeit anfahren. Wenn man stark bremsen muss und das Auto ein ABS hat, was heute meist der Fall ist: Ruhig beherzt aufs Pedal treten. Das Fahrzeug bleibt manövrierfähig, Hindernissen kann durch flüssiges Lenken ausgewichen werden. Ohne ABS ist immer behutsames Bremsen gefragt, denn auf Eis und Schnee blockieren die Räder sonst sehr schnell – und Lenkbewegungen bleiben ohne Wirkung.
Während der Fahrt unterstützen heute außerdem ESP und andere elektronische Traktionskontrollen und können so manche Situation entschärfen. Sie sind ein wirkungsvoller Beitrag zur Verkehrssicherheit und stabilisieren das Auto etwa beim Ausweichen oder Anfahren. Doch das Wissen um das Vorhandensein der Assistenzsysteme sollte nicht zu risikoreicherem Fahren führen. Besser ist stets umsichtiges Agieren am Steuer sowie der Aufbau von Erfahrung, damit die Technik nach Möglichkeit nicht eingreifen muss.
Das Gaspedal sollte im Winter eher gestreichelt als getreten werden, um keine instabilen Fahrzustände über Antriebskräfte hervorzurufen. Hektische Lenkbewegungen auf Schnee oder Schneematsch sind zu vermeiden, weil sie den Wagen ins Schleudern bringen können. Ein höherer Gang als üblich verhindert das abrupte Durchdrehen der Räder und beruhigt Karosseriebewegungen.
Hat das Auto Front-, Heck oder Allradantrieb? Das kann man sich ruhig immer wieder vergegenwärtigen, denn das Fahrverhalten unterscheidet sich. Beim Frontantrieb genügt in schneebedeckten Kurven ein allzu kräftiger Tritt aufs Gaspedal, um die Vorderräder zum Durchdrehen zu bringen. Die Folge ist Untersteuern, der Wagen schiebt über die Vorderräder zum Kurvenrand. Rasches Gaswegnehmen reduziert die Geschwindigkeit, so dass die Reifen wieder greifen können und das Auto dem Lenkeinschlag folgt.
Beim Hinterradantrieb bricht das Heck aus, wenn unangemessen viel Kraft auf die Antriebsräder gelangt. Schnelles und gefühlvolles Gegenlenken ist gefragt, um das Auto wieder einfangen. Autos mit Allradantrieb spielen ihren technischen Vorteil beim Anfahren aus und haben auch in Kurven eine höhere Stabilität, weil die Antriebskräfte gleichmäßiger auf die Räder verteilt werden als bei nur einer angetriebenen Achse. Beim Bremsen bietet Allrad keine Vorteile.
Autofahren mit viel Gefühl passt zu wenig Grip bei Glätte
Die Beispiele machen zugleich deutlich, wie wichtig gute Winter- oder Ganzjahresreifen sind. Denn sie übertragen die Antriebs-, Brems- und Lenkkräfte, und das über nur handtellergroße Flächen. Wenn sich allerdings Glatteis auf der Straße spiegelt, geht die Haftung selbst intakter Reifen gegen Null. Dann ist mitunter das Warten auf den Streudienst die sinnvollste Maßnahme. Schneeketten können helfen, jedoch dürfen sie den Asphalt nicht beschädigen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h. Die Montage der Ketten auf den Antriebsrädern sollte vorher idealerweise geübt werden.
Doch egal, wie gut die Reifen, das eigene Fahrkönnen oder die technischen Helferlein sind – die Gesetze der Fahrphysik bleiben immer in Kraft. Wer wirklich zu schnell ist, kann nur hoffen, dass Leitplanken oder aufgetürmte Schneewände das Fahrzeug einigermaßen glimpflich verlangsamen oder stoppen.
Zum verkehrssicheren Fahren gehört auch eine gute Sicht. Wer nicht aus der Garage startet und somit ein schneefreies Auto und frostfreie Scheiben hat, muss die winterlichen Beeinträchtigungen vom Auto entfernen. Und zwar rundum: Schnee ist auch vom Dach zu fegen. Denn sonst kann dieser von unten her antauen, wenn nach dem Losfahren die Autoheizung arbeitet, und es genügt eine stärkere Bremsung, um das Schneebrett flächendeckend auf die Windschutzscheibe gleiten zu lassen, die drastische Folge: null Sicht von jetzt auf gleich. Und in einer zugefrorenen Windschutzscheibe genügt eines nicht: nur ein Guckloch – und das Hoffen auf die Wirkung von Heizung und Gebläse. Denn dann fährt man einige Kilometer teilweise blind. Daher alle Schreiben frei kratzen. Für das rechtzeitige Erkennen von Radfahrern oder Fußgängern kann das entscheidend sein.
Entsprechende Sprays können eine wirksame Hilfe sein, um Scheiben eisfrei zu machen. Sie verhindern zudem, dass die kalten Scheiben während der Fahrt bei Minusgraden erneut zufrieren. Vergleichstests der GTÜ haben ergeben, dass sich auch preisgünstige Scheibenenteiser achtbar schlagen.
Ein wichtiger Nebeneffekt, wenn diese Wintertipps beachtet werden: Man hat das gute Gefühl, viel für die Sicherheit getan zu haben. Das steigert die Gelassenheit am Steuer – und kann somit ebenfalls dazu beitragen, ungewohnte Situationen besser zu meistern. Quelle: GTÜ