Missachtung der Vorfahrt, nicht angepasste Geschwindigkeit, zu geringer Abstand, Fahren unter Alkoholeinfluss, Ablenkung durch Smartphones oder sonstige elektronische Kommunikationssysteme und vieles mehr: Wenn es im Straßenverkehr zu Unfällen kommt, spielt der Faktor Mensch eine ganz wesentliche Rolle.
„Europaweit sind nahezu 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen“, gibt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf zu bedenken.
Besonders auffällig sind dabei junge Fahrer und Senioren. Wie der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2021 „Mobilität im Alter“ aufzeigt, hat Fehlverhalten im Straßenverkehr bei der Altersgruppe 65+ häufig mit nachlassender Beweglichkeit und verlangsamten Reaktionszeiten zu tun.
Menschliches Fehlverhalten war und ist seit Jahren mit Abstand die häufigste Unfallursache im Straßenverkehr. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag 2019 in Deutschland bei 88,2 Prozent der Unfälle mit Personenschaden die Ursache im Fehlverhalten von Fahrzeugführern, bei 3,2 Prozent im Fehlverhalten von Fußgängern. Knapp 65 Prozent der Fehlverhalten wurden Pkw-Fahrern angelastet. Zwar können Fahrzeugtechnik und Straßeninfrastruktur dazu beitragen, risikoreiche Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen oder in ihren eventuellen Folgen abzumildern.
„An erster Stelle steht aber der Mensch, der durch verantwortungsbewusstes Verhalten, die richtige Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein hohes Maß an Regelakzeptanz zu mehr Verkehrssicherheit beitragen kann“, sagt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf.
Jung & Alt als Risiko
Setzt man die Anzahl der Pkw-Fahrer einer bestimmten Altersgruppe, die an Unfällen mit Personenschaden beteiligt waren, ins Verhältnis zur Zahl der Unfälle, die von derselben Altersgruppe verursacht wurden, so zeig sich: Die jungen Fahranfänger und die Senioren stellen besondere Risikogruppen dar. Bei den Arten des Fehlverhaltens, das zu einem Unfall führt, gibt es zwischen diesen beiden Altersgruppen deutliche Unterschiede. Während insbesondere bei den 18- bis 24-Jährigen nicht angepasste Geschwindigkeit und zu geringer Abstand dominieren, steht bei der Altersgruppe 65+ die Vorfahrt- beziehungsweise Vorrangmissachtung mit großem Abstand an erster Stelle. Es folgen Fehler beim Abbiegen und zu geringer Abstand. Bis zum Alter von 65 Jahren ist der Anteil der Männer, deren Fehlverhalten für den Unfall relevant ist, deutlich höher als der der Frauen. Ab 65 Jahren gleicht sich dieses Verhältnis an.
Abnehmende Leistungsfähigkeit kann Fahrfehler verursachen
Speziell komplexe Verkehrssituationen spielen mit steigendem Lebensalter eine immer größere Rolle im Blick auf unfallverursachendes Fehlverhalten von Pkw-Fahrern. Das gilt insbesondere für Vorfahrts- und Vorrangverletzungen außerorts und auf Autobahnen, die zum Beispiel 2019 bei den 18- bis 24-Jährigen bei unter zehn Prozent lagen und bis zur Altersgruppe 75+ auf knapp 25 Prozent angestiegen sind. Eine gegenläufige Entwicklung ist hier bei nicht angepasster Geschwindigkeit zu beobachten. Diese Art des Fehlverhaltens sank von rund 30 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen auf circa 10 Prozent in der Altersgruppe 75+. Auch innerorts sticht Fehlverhalten in komplexeren Verkehrssituationen mit zunehmendem Alter hervor. Ganz klar zu erkennen ist im innerörtlichen Verkehr außerdem der Anstieg beim Fehlverhalten gegenüber Radfahrern und Fußgängern. Dieses spielt außerorts insgesamt nur eine äußerst untergeordnete Rolle, entsprechend der dort geringeren Verkehrsteilnahme dieser Gruppen.
„Maßnahmen für eine sichere Mobilität im Alter mit dem Pkw müssen daher primär bei den komplexen Verkehrssituationen ansetzen“, betont Markus Egelhaaf.
Neben einer Optimierung der Infrastruktur helfen hier Assistenzsysteme im Fahrzeug. Letztendlich stehen aber viele Unfälle mit Vorfahrt- oder Vorrangverletzungen, beim Abbiegen oder mit Beteiligung von Radfahrern oder Fußgängern bei Senioren im Zusammenhang mit körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen.
Altersbedingte Einflussfaktoren
So führt z. B. die mit zunehmendem Alter nachlassende Beweglichkeit zu Problemen beim Schulterblick, bei schneller Blickzuwendung oder beim Blickrichtungswechsel. Hinzu kommen längere Reaktionszeiten, oftmals begünstigt durch Medikamenteneinfluss. Biologische Alterungsprozesse verringern die Menge und Komplexität von Informationen, die der Mensch verarbeiten kann, was beim Fahren z. B. schneller zur Ermüdung oder zu psychischem Stress führen kann. Auch fällt das Abschätzen von Geschwindigkeiten und Entfernungen schwerer. Gerade in komplexen Verkehrssituationen wie an unübersichtlichen Kreuzungen, beim Abbiegen oder beim Zusammentreffen mit Radfahrern oder Fußgängern sind aber genau diese Fähigkeiten besonders gefordert. Um eine sichere Mobilität auch im Alter zu ermöglichen, müssen verschiedenste Ansatzpunkte im Bereich der Infrastruktur, bei der Fahrzeugtechnik aber insbesondere auch beim Menschen selbst stärker verfolgt werden. Konkrete Empfehlungen dafür finden sich im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2021 „Mobilität im Alter“. Er steht unter www.dekra-roadsafety.com zur Verfügung. Quelle: DEKRA