Aftermarket-Update präsentiert das Jahresauftakt-Statement des CLEPA-Präsidenten Thorsten Muschal:
„Die Zulieferer der Automobil- und Mobilitätstechnik sind mit gemischten Gefühlen aus Optimismus und Vorsicht in das Jahr 2021 gestartet. Optimismus, weil die Nachfrage nach Fahrzeugen und Komponenten schneller als erwartet anzieht und der Appetit auf neue, innovative Technologien zunimmt. Vorsicht, weil die Narben aus dem Jahr 2020 tief sitzen und die Unsicherheit weiterhin groß ist.
COVID-19 hat die Automobilzulieferindustrie besonders hart getroffen und die Auswirkungen der Krise werden auch im neuen Jahr ein wichtiger Faktor sein. Viele in der Zulieferindustrie haben es in den letzten Monaten des Jahres 2020 geschafft, einen guten Teil der früheren Umsatzeinbußen wieder aufzuholen, was Optimismus hinsichtlich einer weiteren Erholung im Jahr 2021 zulässt. Allerdings bleibt die Unsicherheit angesichts der Volatilität im Zusammenhang mit der Eindämmung der COVID-19-Pandemie hoch.
Der Grad der Unsicherheit bleibt hoch, mit Unterbrechungen der Lieferkette, Fabrikschließungen und Grenzschließungen
Bis große Teile der Bevölkerung geimpft sind, drohen weiterhin Unterbrechungen der Lieferkette, Fabrikschließungen und Grenzschließungen, die während der ersten Welle der Pandemie viel Schaden angerichtet haben. Infolgedessen bleibt die Planung der Produktion viel anspruchsvoller, als sie es in den Just-in-Time-Betrieben der Branche ohnehin schon ist.
Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Verknappung von Halbleitern in der Automobilbranche. Eine Kombination verschiedener Faktoren – die COVID-Pandemie, der Handelskrieg zwischen China und den USA, ein Nachfrageschub von Seiten der Unterhaltungselektronik und die Beschleunigung der Elektrifizierung von Fahrzeugen – hat zu wochenlangen Verzögerungen in den ohnehin schon langen Lieferketten geführt.
Dies hat die Fragen nach der Notwendigkeit einer „strategischen Autonomie“ der EU und der Lokalisierung des Angebots verstärkt, die im Kontext der globalen Spielfelder und der Wettbewerbsfähigkeit sorgfältig bewertet werden müssen. Das globale Handelsumfeld wird in jedem Fall weiterhin ein wichtiger Faktor für die Stabilität sein.
Im Jahr 2021 bleibt das Risiko eines weiteren Beschäftigungsverlustes hoch. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben von Eurofound allein bei den Tier1-Zulieferern über 50 Tausend Stellenstreichungen angekündigt, was einer ähnlichen Zahl bei den Fahrzeugherstellern entspricht. Die Situation bei kleinen und mittleren Unternehmen ist schwieriger zu erfassen, aber als Faustregel gilt, dass ein Arbeitsplatz bei Tier1-Zulieferern in der Regel zwei bis drei weitere Existenzen in der Lieferkette unterstützt. Kleinere Unternehmen haben auch tendenziell mehr Probleme, die Liquidität aufrechtzuerhalten, um ihr Geschäft zu erhalten.
Erhebliche F&I-Investitionen sind entscheidend für die Entwicklung einer bezahlbaren Mobilität
Ein weiteres großes Problem stellen die Kürzungen dar, die viele Zulieferer bei ihren F&E-Budgets vornehmen mussten, um die Krise zu bewältigen. F&I ist der wichtigste Faktor, um sicherzustellen, dass Automobilprodukte in Bezug auf Umweltverträglichkeit und soziale Nachhaltigkeit kontinuierlich verbessert werden. Europäische Zulieferer sind führend, wenn es darum geht, Fahrzeuge mit Hilfe von fortschrittlichen Antriebsstranglösungen, Konnektivität und Automatisierung kontinuierlich nachhaltiger, intelligenter und sicherer zu machen. Substanzielle F&I-Investitionen sind entscheidend für die Entwicklung einer bezahlbaren Mobilität. Gerade in der heutigen Zeit des schnellen Wandels, mit dem sich vollziehenden Übergang zu einer grünen und digitalen Gesellschaft, sind die Auswirkungen nicht zu unterschätzen und für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie unerlässlich.
2021 wird aus Sicht der EU-Politik ein extrem dichtes Jahr sein. Wir erwarten Regulierungsvorschläge zu entscheidenden Themen wie CO2-Emissionen, Euro 7, Datennutzung und -zugang, künstliche Intelligenz und der Organisation des Aftermarkets. Auch Nachhaltigkeitskriterien und Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft werden die politische Debatte weiter befeuern.
Für Unternehmen und politische Entscheidungsträger wird eine große Herausforderung darin bestehen, den Übergang in einer integrativen und wettbewerbsfähigen Weise zu gestalten. Unser vorrangiges Ziel als Industrie ist es, die Mobilität von morgen zu transformieren, unsere Arbeitskräfte auf- und umzuschulen und F&E ganz oben auf unserer Prioritätenliste zu halten. Als Teil der Umsetzung einer erneuerten europäischen Industriestrategie wird es von entscheidender Bedeutung sein, die spezifischen Bedürfnisse von industriellen Ökosystemen wie dem unseren zu analysieren, an politische Unterstützung anzupasssen und die Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu messen – natürlich alles im Rahmen der breit angelegten politischen Agenda des EU Green Deal und des digitalen Wandels.
Das Jahr 2020 war ein Jahr wie kein anderes. Die Zusammenarbeit war entscheidend, um die vielen Herausforderungen zu bewältigen, und dies wird auch 2021 nicht anders sein. Die COVID-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, gemeinsam stark zu sein. In diesem Sinne freuen wir uns darauf, auch im Jahr 2021 wieder mit unseren Kunden, Stakeholdern und politischen Entscheidungsträgern zusammenzuarbeiten, um nachhaltige Mobilität und eine wettbewerbsfähige Industrie in Europa voranzubringen.“
Thorsten Muschal ist Executive Vice President of Sales and Program Management bei Faurecia und seit 2020 CLEPA-Präsident. Quelle: CLEPA