- BRV veröffentlicht Marktdaten zum Reifenersatzgeschäft in Deutschland 2019
- Marktkonsolidierung auf Stückebene schreitet voran
- Chancen liegen in qualitativer Vermarktung
Im vergangenen Jahr wurden im Reifenersatzgeschäft in Deutschland rund 53,3 Millionen Reifen verkauft, so dass der Umsatz in allen Produktsegmenten gegenüber dem Vorjahr um rund 3,5 Prozent zurückging. Der Bundesverband für Reifenhandel und Vulkanisationshandwerk (BRV, Bonn) berichtet nach Auswertung der Marktzahlen für 2019.
„Der Reifenersatzmarkt befindet sich weiter in einer Konsolidierungsphase, die von stagnierenden bis rückläufigen Absatzzahlen geprägt ist“, kommentiert BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin.
Das Automobilmarktumfeld in Deutschland zeige eine leicht positive Entwicklung sowohl beim Fahrzeugbestand als auch beim Autoverkauf, was auf ein zunehmendes Marktpotenzial für Reifen hindeuten könnte. Doch aufgrund struktureller Umbrüche im Automobilmarkt, höherer Laufleistung moderner Reifen und gleichzeitig tendenziell sinkender Fahrzeugnutzung sei in absehbarer Zeit nicht mit nennenswert positiven Absatzimpulsen für das Reifenersatzgeschäft zu rechnen, analysiert der Verband.
Mit gut neun Zehnteln der Verkaufseinheiten ist das Consumer-Reifensegment, das aus den beiden Produktgruppen Auto- / Offroad-Reifen und Transporter besteht, mit Abstand das größte Marktsegment. Lkw-Reifen belegen mit einem Marktanteil von gut 5 Prozent den zweiten Platz, gefolgt von Motorradreifen (gut 3 Prozent). Der Rest entfällt auf die beiden Nischensegmente FARM-Reifen (für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge) und EM-Reifen (für Erdbewegungsmaschinen, die hauptsächlich im Bau- und Bergbausektor eingesetzt werden) mit insgesamt fast 293.000 Einheiten, was im vergangenen Jahr einen Marktanteil von 0,55 Prozent bedeutete.
Innerhalb der einzelnen Produktgruppen verlief laut BRV die Sell-Out-Entwicklung (Handel an Verbraucher) 2019 wie folgt:
Segment Consumer-Reifen
Mit gut 84 Prozent am Gesamtabsatz im Reifenersatzgeschäft 2019 und 92,3 Prozent Anteil am Absatz im Segment Consumer-Reifen bestimmt die Produktgruppe Pkw und Off-Road-Reifen (4×4) maßgeblich die Entwicklung im Markt. 44,8 Millionen Reifen wurden in dieser Produktgruppe im vergangenen Jahr verkauft, das entspricht einem Rückgang von 4,1 Prozent im Vergleich zum Mengenabsatz im Vorjahr. Gewinner waren hier erneut einzig die Ganzjahresreifen (All Season), von denen mit 9 Millionen Stück 13 Prozent mehr verkauft wurden als im Vorjahr. Der Absatz an Pkw- und 4×4-Winterreifen (M+S) sank um 7,5 Prozent, der Absatz an Sommerreifen um 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der Ganzjahresreifen an dieser Produktgruppe stieg zu Lasten der Saisonspezialisten für Sommer/Winter um etwa drei Prozentpunkte auf jetzt 20 Prozent. Winterreifen hatten im vergangenen Jahr am Stückabsatz Pkw/Off-Road einen Anteil von rund 47 Prozent, Sommerreifen knapp 33 Prozent.
In der ebenfalls zum Consumer-Segment zählenden Produktgruppe der Reifen für leichte Nutzfahrzeuge (Llkw-Reifen) lag der Stückabsatz 2019 bei 3,74 Millionen und ging damit im Vergleich zum Vorjahr nur leicht um 0,8 Prozent zurück. Ihr Anteil am Reifenersatzgeschäft gesamt lag dabei nahezu unverändert bei rund 7 Prozent. Der Absatz von Ganzjahresreifen stieg in dieser Produktgruppe zwar um 6,2 Prozent, damit aber deutlich schwächer als im Vorjahr (knapp 13 Prozent Plus). Winterreifen für Leicht-Lkw erfuhren einen Absatzrückgang von 5,1 Prozent (Vj.: -6,8 Prozent), Sommerreifen von 0,9 Prozent (Vj.: -2,8 Prozent). Knapp 44 Prozent der verkauften Menge an Llkw-Reifen entfielen im Berichtsjahr auf M+S-Reifen, rund 25 Prozent auf Sommerreifen und gut 31 Prozent auf Ganzjahresreifen.
Im Segment Consumer gesamt (also Pkw-/4×4- und Llkw-Reifen) stieg der Stückabsatz an All-Season-Reifen im Durchschnitt um 12 Prozent, der Absatz an Saisonspezialisten für Sommer/Winter war im Schnitt um jeweils 7,3 Prozent rückläufig. Der Anteil All Season an der Verkaufsmenge lag 2019 im Durchschnitt des Segments bei knapp 21 Prozent, knapp 47 Prozent entfielen auf Winter-, gut 32 Prozent auf Sommerreifen; die Verteilung auf Allrounder und Spezialisten für die jeweilige Saison ist somit ähnlich wie in der Produktgruppe Pkw-Reifen.
Segment Lkw-Reifen
Im Produktsegment Lkw-Reifen wurden im vergangenen Jahr 2,724 Millionen Stück verkauft. Bedingt durch schwächelnde Absatzzahlen vor allem im letzten Quartal ging damit nach einer positiven Entwicklung in 2018 und in den ersten Monaten 2019 der Stückabsatz im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 1,7 Prozent auf etwa die Verkaufsmenge von 2017 zurück. Der Anteil an Neureifen wuchs 2019 bei nahezu stabiler Absatzmenge um knapp 0,7 Prozentpunkte und lag bei rund 71,6 Prozent. Der Absatz runderneuerter Reifen ging im Jahresdurchschnitt um 4 Prozent zurück, ihr Anteil an den Verkäufen in dem Produktsegment lag damit bei 28,4 Prozent.
Motorradreifen und Nischensegmente
Der Absatz von Motorrad- und Scooterreifen, mit knapp 1,75 Millionen Stückabsatz gemessen am Gesamtmarkt im Reifenersatzgeschäft eine eher kleine Produktgruppe, wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent.
Nach leichten Absatzrückläufen im Vorjahr erholten sich 2019 die Verkäufe in den Nischensegmenten der Reifen für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge (FARM-Reifen) und für Erdbewegungsmaschinen (EM-Reifen). In der Produktgruppe FARM stablisierte sich der Stückverkauf mit 251.000 Einheiten auf dem Niveau 2018, in der Produktgruppe EM-Reifen war ein Absatzzuwachs von durchschnittlich 2,4 Prozent auf insgesamt 42.000 Einheiten zu verbuchen, der aber ausschließlich aus dem Verkauf von Neureifen resultierte, während der Absatz runderneuerter Reifen bei 12.000 Einheiten stagnierte. Das Verhältnis neu zu runderneuert lag in diesem Produktsegment bei etwa 71 zu 29.
Auf die Entwicklung im Reifenersatzgeschäft insgesamt haben die Nischenprodukte aufgrund ihres extrem geringen Anteils von nur rund 0,5 Prozent am Gesamtmarkt keine nennenswerten Auswirkungen.
Prognose: weitgehend stabil
Für das laufende Jahr rechnet der Reifenfachverband mit stabilen Absatzzahlen im größten Marktsegment Consumer-Reifen, leichten Zuwächsen bei Kraftrad-Reifen, einem leichten Rückgang im Segment Lkw-Reifen und divergierender Entwicklung in den Nischensegmenten:
- Pkw/4×4: -0,2 %
- Llkw: +1,6 %
- Consumer gesamt: -0,1 %
- Lkw: -1,1 %
- Motorrad/Scooter: +1,3 %
- FARM: -4,4 %
- EM: +4,8 %
Insgesamt prognostiziert der Fachverband für das Reifenersatzgeschäft 2020 damit quantitativ eine stabile Entwicklung auf hohem Niveau.
Die Absatzzahlen sind aber nur die eine Seite des Reifenersatzgeschäftes. Der Verband nimmt darüber hinaus seit einiger Zeit verstärkt die qualitative Entwicklung des Geschäftsverlaufs unter die Lupe. Ziel der Analysen ist es, seinen auf Reifenhandel und -service spezialisierten Mitgliedern in einem Markt mit begrenzten Absatzvolumina Ertragspotenziale und Wege für eine renditeorientierte Marktbearbeitung aufzuzeigen.
Erträge resultieren aus dem Service
Die Ergebnisse des BRV-Jahresbetriebsvergleichs 2019 für Reifenhändler zeigen, dass selbst bei mittelgroßen, nicht-filialisierten Reifenhändlern der Absatz 2019 zurückging, der Rückgang von rund 1 Prozent jedoch deutlich geringer war als der Branchendurchschnitt. Trotz dieses Rücklaufs im Reifenabsatz konnte der klassische, nicht-filialisierte Reifenhandel im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatzzuwachs von 1,5 Prozent, einen Rohertrag von 2,1 Prozent und eine Umsatzrendite von 1,7 Prozent erwirtschaften und hebt sich damit deutlich positiv vom Branchenschnitt ab. Und das, obwohl die Gesamtkosten, die 2019 im Branchenschnitt bei 37,5 Prozent des Umsatzes (2018: 36 Prozent) lagen, in den Betrieben des klassischen Reifenfachhandels 40,7 Prozent des Umsatzes ausmachen und insbesondere die Personalkosten mit einem Zuwachs von 4,2 Prozent in diesem Unternehmenssegment deutlich stärker gestiegen sind als im Branchendurchschnitt (+2,5 Prozent).
Die Branche insgesamt weist im Durchschnitt aller Betriebstypen einen Umsatzrückgang von 1,1 Prozent, einen Rohertrag von 0,2 Prozent und eine Umsatzrendite von -1,0 Prozent aus. Das ist darauf zurückzuführen, dass filialisierte Unternehmen bei deutlich höheren Absatzrückgängen als im nicht-filialisierten Reifenhandel sowohl im Umsatz als auch bei Rohertrag und Umsatzrendite negative Ergebnisse verbuchen mussten.
Die Ergebnisse des BRV-Jahresbetriebsvergleichs 2019 zeigen auch, dass im klassischen Reifenfachhandel der ertragsstarke Geschäftsbereich Autoservice mit 18,6 Prozent vom Umsatz einen überdurchschnittlichen Umsatzanteil hat (Branchenschnitt: 11,9 Prozent) und Serviceleistungen insgesamt (Reifen + Kfz) knapp 38 Prozent des Umsatzes erbringen (Branchenschnitt: 31,6 Prozent). Der Umsatzanteil aus dem Verkauf von Reifen liegt im nicht-filialisierten Reifenfachhandel mit knapp 55 Prozent hingegen deutlich unterhalb des Branchenschnitts von rund 63 Prozent.
„Diese Ergebnisse sind für uns ein deutliches Indiz, dass der klassische Reifenfachhandel unseren Appellen gefolgt ist, in seiner Vermarktungsstrategie vermehrt auf den renditestarken Dienstleistungsbereich zu fokussieren und seine qualitativ hochwertigen Serviceangebote auch entsprechend honorieren zu lassen“, sagt BRV-Geschäftsführer Lowin.
Seinen Distributionsanteil von 64 Prozent im Produktsegment Pkw-Reifen konnte der freie Markt (spezialisierte Reifenhandels- und -servicebetriebe sowie freie Werkstattbetriebe) zugleich behaupten; Autohäuser und markengebundene Werkstätten kamen im vergangenen Jahr auf unverändert 23 Prozent, Fachmärkte/Sonstige auf 5 Prozent und der Onlinehandel im B2C-Bereich auf 8 Prozent. Im Segment Lkw-Reifen ist der Reifenhandel (im engeren Sinne, ohne freie Kfz-Werkstätten) aufgrund der Produktdiversität verbunden mit einem hohen Beratungs- und Servicebedarf ohnehin traditionell der dominierende Vertriebskanal und hielt 2019 seinen Distributionsanteil von 90 Prozent.
Angesichts dieser Fakten wundert es nicht, dass der Reifenfachhandel trotz der eher bescheidenen Absatzentwicklung im Reifenersatzgeschäft positiv gestimmt ins neue Geschäftsjahr gestartet ist. Die regelmäßige Umfrage für das BRV-Branchenbarometer – einen Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in der Räder-/Reifenbranche – zeigt für das erste Quartal 2020 einen Indexwert, der mit 105 Punkten minimal über dem Wert des ersten Vorjahresquartals (Index 104) lag.
„Die Situation bleibt fordernd“, so resümiert BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin im Hinblick auf die auch in der Reifenbranche zunehmende Fachkräfteproblematik, die weiter steigende Kostenlast und die hohe Marktsättigung im Kerngeschäft Reifenhandel. „Doch die Ergebnisse des Geschäftsjahres 2019 sprechen dafür, dass sich der traditionelle Reifenhandel diesen Herausforderungen zunehmend erfolgreich stellt.“
Jetzt komme es weiterhin darauf an, in eine qualitativ hochwertige Vermarktung zu investieren, mit einem überzeugenden Angebotsportfolio Präsenz bei den Kunden zu zeigen, die gebotene Dienstleistungsqualität renditeorientiert zu kalkulieren und sich über angemessene Marktpreise entsprechend honorieren zu lassen. Die technische Entwicklung jedenfalls begünstigt die Marktchancen für kompetente Spezialisten. Denn mehr den je ist ein Reifen nicht einfach nur ein Reifen, sondern elementarer Bestandteil eines hoch komplexen Fahrwerkssystems, das im optimal abgestimmten Zusammenspiel mit hoch sensiblen Sicherheitsfeatures wie Reifendruck-Kontrolle, ABS, ESP und anderen „Fahrerassistenten“ das Fahrzeug sicher in der Spur halten soll.
Quelle: BRV – Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. / Bild: Pixabay