Nicht nur die vielfältigen Transformationsprozesse in der Automobilwirtschaft oder die angespannte allgemeine wirtschaftliche Lage stellen die Unternehmen des Aftermarket vor große Herausforderungen, sondern auch das wettbewerbspolitische Spannungsfeld, in dem sie sich bewegen. Der GVA konnte bei einigen Anliegen im Interesse der Verbraucher und seiner Mitglieder Fortschritte erzielen. Ein Beispiel bildet das Ringen um die Liberalisierung des Marktes für sichtbare Kfz-Ersatzteile. Das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“, das die vom GVA und vielen weiteren Vertretern der Automobilwirtschaft sowie von Versicherern und Verbraucherschützern seit Langem geforderte Einführung der Reparaturklausel in das deutsche Designgesetz bringen würde, wird derzeit im Deutschen Bundestag beraten.
Gesetzentwurf zum Designschutz
Aus Sicht des GVA bleibt der vorliegende Gesetzentwurf jedoch in dem Anliegen, fairen Wettbewerb zu schaffen und die Verbraucher zu entlasten, auf halber Strecke stehen. Im Entwurf ist nämlich vorgesehen, dass die bisher eingetragenen Designschutzrechte bei sichtbaren Ersatzteilen für bis zu 25 Jahre fortgelten würden.
Das bedeutet: Der Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher wäre weiterhin gezwungen, die meist teureren sichtbaren Ersatzteile der Automobilhersteller zu erwerben. Das eigentliche Ziel, freien und fairen Wettbewerb zu schaffen, wäre damit erst im Jahr 2045 vollständig erreicht berichtet der GVA.
GVA-Präsident Hartmut Röhl: „Statt Wettbewerb zu stärken, droht das Gesetz in dieser Form auf Jahre hinaus Wettbewerb zu verhindern. Das Versprechen auf fairen Wettbewerb ab dem Jahr 2045 bringt nichts, wenn infolge schlechter Gesetzgebung sämtliche zarte Ansätze von Wettbewerb bis dahin völlig zerstört werden können. Wenn die Unternehmen des freien Marktes über das Protektionsinstrument namens Designschutz weiterhin von rund einem Viertel des Umsatzes im Ersatz- und Verschleißteilmarkt potentiell ausgeschlossen werden können, dann ist das für diese zumeist kleinen und mittelständischen Unternehmen schlicht existenzbedrohend. Es liegt nun an den Abgeordneten des Deutschen Bundestags sich zu entscheiden, ob sie sich in der Designschutzfrage auf die Seite der Verbraucher stellen möchten oder doch lieber den Fahrzeugherstellern für viele Jahre ein lukratives Monopol auf Kosten der Autofahrer sichern wollen.“
Der GVA setzt sich dafür ein, dass der im Gesetzentwurf enthaltene umfassende Bestandsschutz bereits eingetragener Designs für Reparaturzwecke durch eine Stichtagsregelung auf das verfassungsrechtlich gebotene Minimum begrenzt wird.
Konnektivität hat Konfliktpotential
Die fortschreitende Vernetzung der Fahrzeuge birgt ebenfalls großes Konfliktpotential. Nur wer einen unmittelbaren Zugang zum Fahrzeug, zu dessen Daten und Ressourcen hat, kann im Zeitalter der Digitalisierung konkurrenzfähige Angebote für Dienstleistungen rund um die Mobilität bieten.
Die OEMs setzen auf proprietäre Lösungen in den Fahrzeugen, die Drittanbieter ausschließen. Laut GVA missachten die OEMs jetzt bereits in der europäischen eCall-Verordnung formulierten Ziele, wonach Lösungen zur Fahrzeugvernetzung u.a. die Wahlfreiheit der Kunden und faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten müssen.
Der Verband setzt sich dafür ein, dass die Vernetzung über eine standardisierte Offene Telematik Plattform im Fahrzeug gestaltet wird, die auf Wunsch des Autofahrers auch unabhängigen Marktteilnehmern einen direkten Zugang zu den Daten im Auto und dessen Ressourcen ermöglicht.
Der GVA-Präsident sieht die neue EU-Kommission gefordert, unverzüglich tätig zu werden: „Nur auf dieser Basis können Unternehmen des freien Marktes eigene Anwendungen anbieten und letztlich dem Autofahrer die Möglichkeit eröffnen zu wählen, wo und mit welchen Teilen er sein Fahrzeug reparieren lässt. Jeder Tag der verstreicht, ohne dass die EU-Kommission in dieser Frage entschlossen tätig wird, wird von den Fahrzeugherstellern genutzt, um bei der Fahrzeugvernetzung Fakten zu schaffen. Unabhängige Marktteilnehmer werden so langfristig aus dem Markt gedrängt.“
Gleichzeitig begrüßt der GVA-Präsident, dass im freien Aftermarket große Anstrengungen unternommen werden, alternative Angebote zu den proprietären Vernetzungslösungen der Fahrzeughersteller zu entwickeln:
„Diese Arbeit ist wichtig, zeigt sie doch dem Gesetzgeber, aber auch den Kunden und Anwendern, dass auch die unabhängigen Marktteilnehmer das Potential haben, innovative Lösungen voranzutreiben. Wenn Kompetenzen in diesen Bereichen unternehmensübergreifend gebündelt werden, erhöht das sicherlich noch einmal die Innovationskraft und die Chancen am Markt. Die Herausforderungen im Bereich Digitalisierung sind so gewaltig, dass man gemeinsam stärker und erfolgreicher sein kann.“
Die Aftermarket GVO und Leitplanken für fairen Wettbewerb im Aftermarket
Im Bereich der Wettbewerbspolitik wird es auch in der nahen Zukunft spannend bleiben. Im kommenden Jahr beginnt der Konsultationsprozess zur Effektivität und Effizienz der „Aftermarket-GVO“ (EU) Nr. 461/2010 und der „Vertikal-GVO“ (EU) Nr. 330/2010 sowie der sie begleitenden Leitlinien. Die Regeln bilden seit nunmehr über neun Jahren ganz wesentlich die Leitplanken für fairen Wettbewerb im Kfz-Ersatzteil- und Servicemarkt.
Bis Mai 2021 soll auf Grundlage des Konsultationsprozesses ein Evaluierungsbericht entstehen, der in die Überlegungen der EU-Kommission über die Zukunft der GVO einfließen wird, die noch bis 31. Mai 2023 gilt. GVA Präsident Hartmut Röhl:
„Der GVA wird sich aktiv in den Prozess einbringen. Wir treten dafür ein, dass ab Juni 2023 eine erneuerte und zeitgemäße „Aftermarket-GVO“ zur Anwendung kommt, die den Bedürfnissen der Autofahrer nach Wahlfreiheit bei Wartung und Reparatur und darüber hinaus den Bedürfnissen der Unternehmen des freien Marktes bezüglich der Grundlagen fairen Wettbewerbs in den kommenden Jahren gerecht wird.“
Quelle: GVA