Ganzheitliche Betrachtung eines automobilen Daseins
Vom Reißbrett der Entwickler bis zur Recycling-Demontage
Während sich das jährliche Symposium des Deutschen Instituts für Qualitätsförderung e. V. (DIQ) bisher hauptsächlich Themen aus der Technik oder der Verkehrssicherheit gewidmet hatte, ging es in diesem Jahr bei der 8. Auflage in Potsdam um das komplette „Leben“ eines Autos – sozusagen vom Reißbrett bis zur Schrottpresse. Hochklassige Referenten beschrieben die verschiedenen Abschnitte des automobilen Daseins in ihren ganz speziellen Disziplinen, etwa bei modernen Materialien in der Konstruktion oder dem fachgerechten, wertschöpfenden Recycling.
Der Präsident des DIQ, Dipl.-Ing. Peter Schuler, begrüßte die anwesenden Zuhörer und versprach eine interessante und vielfältige Veranstaltung.
Professor Dr.-Ing. Harald Bachem leitete das DIQ-Symposium. Professor Bachem lehrt und forscht an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfsburg. Er ist dort Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Fahrzeugsicherheit. Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender des Wolfsburger Instituts für Forschung, Innovation und Technologietransfer e. V. (FIT). In seiner Einführung in das Thema war die interessante Frage zu finden, wie lange denn eigentlich ein Autoleben dauert. An verschiedenen Modellen beleuchtete er die Entwicklung von Fahrzeugen ebenso wie die Anforderungen an Design und Assistenzsysteme. Dass 59 % der Autofahrer einer Umfrage zufolge elektronische Einparkhilfen kannten, aber nur 12 % den Spurhalteassistenten, gehörte zu den markanten Aussagen im Bereich Unfallforschung und Verbraucherschutz. Dass Fahrzeugreparaturen heute anders erfolgen als vor 20 Jahren, versteht sich – allein die Materialien sind oft komplett anders. So verhält es sich auch mit dem Recycling am Ende des Autolebens. Die Verwertungsquote ist hoch, der Weg in die Schrottpresse nicht mehr die alleinige Lösung. Und nicht zuletzt lohnt auch eine intensive Betrachtung des Teilehandels. Das Aftersales-Geschäft ist umkämpft und hat Teile im Regal, die man vor einigen Jahren noch nicht kannte. Professor Dr.-Ing. Harald Bachem gelang es hervorragend, auf die anstehenden Referentenvorträge einzustimmen.
Der erste Referent des Tages war Dipl.-Ing. Kristian Seidel. Er kommt von der Forschungsgesellschaft für Kraftfahrwesen mbH in Aachen. Sein Thema war die Entwicklung von Gesamtfahrzeug und Karosserie bei modernen Fahrzeugen. Die Vielfältigkeit der Anforderungen an Automobilkonstrukteure beeindruckte in seinem Vortrag. Sicherheit, passive und aktive, Komfort und Variabilität, die Einfügung in die globale Produktstrategie der Hersteller, Emissionen, zunehmende Elektrifizierung und viele andere Aspekte sind zu beachten. Dabei gilt es auch, die entstehenden alternativen Mobilitätsformen mit in die Überlegung einzubringen. Vorgestellt wurden auch die Testmethoden für Batterien und Fahrzeuge und ein vielbeachteter Ausblick auf die digitale Entwicklung der Mobilität, über die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander und die verschiedenen Automatisierungsstufen des Verkehrs bis hin zum komplett autonomen privaten Verkehr auf unseren Straßen.
Dr. Michael Hamm kommt von der Audi AG aus Ingolstadt. Sein Thema beim DIQ-Symposium war die Entwicklung von Fahrzeugdesign, Assistenzsystemen und Elektronik. Unter diesen Aspekten war der Schwerpunkt seines Vortrages die Beleuchtungsanlage moderner Fahrzeuge. Ein Überblick zeigte die Meilensteine der Fahrzeuglichttechnik, von den Glühlampen der ersten Stunden bis zu starren und später dynamischen Xenonsystemen und ganz aktuell der LED-Technik. Diese eröffnete völlig neue Möglichkeiten des Designs bei Beleuchtungsanlagen. Ein Fortschritt ist auch die Weiterentwicklung von Kamerasystemen und die Steigerung der Rechnerkapazitäten, die etwa Matrix-Scheinwerfer und dynamische Blinker ermöglichen. Sie bildeten die Basis für einen Ausblick in die Zukunft moderner Fahrzeugbeleuchtung.
Verkehrssicherheit war das Thema von Dr.-Ing. Matthias Kühn beim DIQ-Symposium. Er kommt von der Unfallforschung der Versicherer in Berlin. Er stellte die Frage, inwieweit Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen die Verkehrssicherheit erhöhen können. Dabei stand der Einfluss zukünftiger Automatisierungsstufen und ihr Einfluss auf die Verkehrssicherheit im Fokus seiner Betrachtung. Die Unfalldatenbank der deutschen Versicherer leistet hier wertvolle Dienste. So wird etwa die große Bedeutung des Notbremsassistenten durch die Datenlage bestätigt. Vorgestellt wurde auch eine Simulatorstudie der Unfallforschung, bei der Nebentätigkeiten während der Fahrt und Müdigkeit bei Autofahrten erforscht wurden. Wie schnell werden die automatischen Fahrfunktionen bei Ablenkung nach einer Aufforderung des Systems wieder manuell übernommen? 12 bis 15 Sekunden dauert es bis zum Blick in den Spiegel und auf den Tacho nach einer Fahrt mit hoher Ablenkung. Interessant war auch die Feststellung, dass automatisiertes Fahren stärker ermüdet als die manuelle Variante. Die Empfehlung der Unfallforscher ist, nicht länger als 15 bis 20 Minuten vollautomatisiert zu fahren.
Kurt Gilch kommt von der KTD GmbH aus Calw im Schwarzwald. Er referierte über die Reparatur innovativer Fahrzeugkarosserien. Er zeigte auf, dass in modernen Fahrzeugkarosserien immer häufiger Werkstoffe wie ultrahochfeste Stähle, Aluminium, Magnesium und sogar Kohlefaser-Verbundwerkstoffe verbaut sind. Die Sicherheit der Insassen und die Reduzierung des Fahrzeuggewichtes bedingt ihren Einsatz. Die Anforderungen an die Reparaturbetriebe haben sich stark verändert, ebenso die Auswirkungen auf die Unfallgutachten. Die Betrachtungsweise ist inzwischen verändert. Von der provokanten Frage, ob moderne Fahrzeugkarosserien überhaupt noch reparierbar sind, bis hin zu Hinweisen auf die Besonderheit der Werkstoffe und die zukünftigen Anforderungen an die Reparaturbetriebe reichte der Themenbogen.
Recycling ist inzwischen wesentlich mehr als das Ende in der Schrottpresse. Das war das Thema von Professor Dr.-Ing. Achim Schmiemann von der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg. Das Thema Kunststoffe beherrschte den Vortrag. Mit einem Überblick über die Belastungsszenarien der Umwelt, zu Wasser, zu Lande und in der Luft startete der Beitrag. Gesetzliche Vorgaben gibt es hierzu bereits. Erwähnt sei die kostenlose Rücknahmepflicht für alle Fahrzeuge seit 2007 oder etwa die definierte Verwertungsquote von 95 %, davon maximal 10 % energetisch seit 2015. Wo bleiben die Fahrzeuge nach der Stilllegung? Im Jahre 2015 beispielsweise wurde der größte Teil, 15 Millionen, als Gebrauchtfahrzeuge in EU-Staaten exportiert, 470.000 blieben in Deutschland. Die Kunststoffe im Fahrzeug, etwa am Beispiel des VW Golf, haben sich in den letzten 30 Jahren fast verdoppelt. Die einzelnen Recyclingmethoden etwa bei Folien, Glas oder sogenannten Organo-Blechen aus Fasergewebe wurden aufgezeigt, ebenso die normgerechte Qualitätssicherung etwa von Recyclatfolien. Festgestellt wurde unter anderem, dass Altkunststoffe eine zunehmend bedeutende Rohstoffquelle sind.
Helmut Wolk kommt von Wolk Aftersales Experts GmbH aus Bergisch-Gladbach. Er gab zunächst einmal einen ausführlichen Überblick über den deutschen Aftersales-Markt und die wichtigsten Unternehmen im Bereich Distribution und Werkstatt. Gravierende Veränderungen für die nächsten 5 bis 10 Jahre aus Umfragen wurden aufgezeigt, ebenso die Konzentrationsprozesse im Aftermarket-Geschäft. Wo die Chancen der Zukunft aber auch die Herausforderungen liegen, war ein weiteres Thema. Die Thesen des Vortrages wurden klar formuliert. Es ging dabei um die Schrumpfung des angestammten Kundenklientels. Die Zukunft, so der Referent, liegt in geänderten und neuen Geschäftsfeldern, etwa bei den neuen Automobiltechnologien oder durch die Schrumpfung des Werkstattnetzes und die Zunahme des Online-Geschäftes. Die Forderung nach zeitadäquaten Dienstleistungen wurde formuliert.
Zum Abschluss des DIQ-Symposiums in Potsdam gab es eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und der daraus resultierenden Empfehlungen.
Der Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Qualitätsförderung e. V., Dipl.-Ing. Thomas Koch, dankte allen Referenten für ihre Beiträge und den anwesenden Zuhörern. Zum Abschluss sprach er eine Einladung aus zum 9. DIQ-Symposium, das 2019 in Magdeburg stattfinden wird.
Quelle: Deutsches Institut für Qualitätsförderung e.V. (DIQ)