Als Partner die Geschicke von Caruso mitbestimmen
Die zunehmende digitale Vernetzung verändert die Geschäftsmodelle im Automotive Aftermarket rasant. Der neue Datenmarktplatz Caruso ermöglicht eine vollständige Neugestaltung der Geschäftsprozesse – nicht nur im Flottenmanagement. Alexander Haid, Geschäftsführer der Caruso GmbH, erklärt, für welche Marktplayer das neue Angebot interessant ist und welche Chancen ein vernetzter Automotive Aftermarket der Zukunft bietet.
Herr Haid, warum bringt Caruso Musik in den Independent Automotive Aftermarket?
Alexander Haid: Weil Caruso alle relevanten Marktplayer in einem bislang nicht gekannten Maße vernetzen kann. Alle Teilnehmer des Automotive Aftermarket – egal ob Teilehersteller, Handel, Werkstätten, Versicherungen, Fleet- und Leasing-Unternehmen, Autovermietungen und Carsharing-Anbieter, Mobilfunkanbieter oder Pannenservice-Unternehmen – sind auf fahrzeugbezogene Daten angewiesen, wenn sie ihre Mobilitätsservices verbessern oder völlig neue entwickeln wollen. Ganz zu schweigen von den Herstellern von vernetzten Komponenten in Computern auf vier Räder. Bis 2020 sind laut Gartner 250 Millionen Fahrzeuge auf der Straße, die Daten senden können. Wer mit den ‚Big Playern‘ im digitalen Zeitalter mithalten will, muss vorhandene Daten intelligent miteinander verknüpfen können. Wenn jeder aber sein eigenes geschlossenes System betreibt, ist das ist nicht möglich. Um im Bild zu bleiben: Bisher spielte im Automotive Aftermarket jeder nach seiner eigenen Partitur. Mit Caruso kann die Branche zu einem kreativen Orchester werden, bei dem alle miteinander im Einklang spielen und jeder von diesem Gleichklang profitiert. Den Takt gibt der gemeinsame Industriestandard vor, der zuverlässig und stabil funktioniert, und den wir mit Caruso entwickelt haben.
Eine Plattform, die eine Vernetzung ermöglichte, gab es bislang nicht. Das treibt in der Praxis Blüten wie diese: Viele Automobilhersteller bieten Mobilitätsservices an, allerdings jeweils nur für die eigenen Marken. Für Flottenmanager, die mehrere Marken wie VW oder Mercedes im Fuhrpark haben, bedeutete das bisher: Sie müssen für jede Marke einen eigenen Mobilitätsservice beantragen. Im Zeitalter des Customizings und der Losgröße 1 ist das nicht mehr zeitgemäß, diese Barrieren lassen sich Kunden kaum noch erklären. Mit Caruso gibt es nun eine Lösung für dieses Problem. Ein anderes Beispiel: Versicherer sind darauf angewiesen, ihre Daten selbst zu erheben. Dafür benötigen sie entweder eine Blackbox im Fahrzeug oder lesen die Daten über das Mobiltelefon des Nutzers aus. Alternativ schließen sie sich an die OBD2-Schnittstelle des Fahrzeugs an. Aber die so gewonnen Daten sind fragmentiert und stehen immer nur dem einzelnen Anbieter und dessen Kunden, mit denen er zusammenarbeitet, zur Verfügung.
Mit Caruso gibt es jetzt eine Plattform, die die Marktteilnehmer befähigt, diese Daten untereinander auszutauschen. Auf unserem Datenmarktplatz lassen sich Daten finden, bewerten und vergleichen. Auf dieser Basis lassen sich Verträge abschließen, diese juristisch und technisch implementieren und überwachen. Caruso stellt die Funktionen zur Verfügung, die der Markt heute und morgen benötigt – für eine zeitgemäße Form der Wertschöpfung.
Wie sieht ein konkretes Anwendungsbeispiel auf Caruso aus?
Alexander Haid: Durch die Verknüpfung von Daten ermöglicht Caruso neue Geschäftsmodelle im Automotive Aftermarket und bündelt verschiedene Prozesse über die Plattform. Als einer der ersten Anwendungsfälle lässt sich der Kilometerstand eines Fahrzeugs mit den Repair-and-Maintenance-Informationen (RMI) verknüpfen, den technischen Daten für Kfz-Reparatur, Mechanik, Wartung und Diagnose, sowie mit dem Terminbuchungssystem von Werkstattketten. Durch die Verknüpfung der Telematikdaten mit den RMI- und Werkstattdaten weiß der Flottenmanager im Voraus, wann bei welchem Fahrzeug die nächste Inspektion ansteht und kann über den Caruso Datenmarktplatz direkt einen passenden Termin in der nächsten Werkstatt buchen. Diese kann dann mithilfe der RMI-Daten die laut Serviceplan fälligen Ersatzteile bestellen – wenn der Teilehändler ebenfalls angebunden ist, sogar automatisiert über den Datenmarktplatz. Dieser Anwendungsfall soll kontinuierlich weiter ausgebaut werden, beispielsweise könnten zukünftig Versicherungen über den Datenmarktplatz etwaige Kaskofälle, die während der Inspektion auffallen – wie die Reparatur eines Steinschlag-Schadens –, nach Zustimmung des Fahrers direkt mit der Werkstatt regeln. Als weitere Anwendungsfälle will Caruso zukünftig z. B. den Schutz vor manipulierten Kilometerständen und die Remote-Diagnose ermöglichen. Caruso ist dabei der „Enabler“, der diese Anwendungsfälle mit Daten versorgt und die verschiedenen Partner auf dem Marktplatz zusammenschaltet.
Wie funktioniert die praktische Arbeit mit Caruso?
Alexander Haid: Der Zugang zum Caruso Datenmarktplatz erfolgt für den Nutzer browserbasiert und ist daher schnell und unkompliziert über alle Endgeräte mit Internetanschluss möglich. Auf der Startseite erhalten die Partner einen aktuellen Überblick über ihre Aktivitäten auf dem Marktplatz: Wie oft wurden ihre Daten in Anspruch genommen und welchen Umsatz haben sie damit erzielt? Wie viele Daten haben sie selbst abonniert und welche Kosten sind ihnen dabei entstanden?
Das Anbieten und Beziehen von Daten erfolgt über eine unkomplizierte Katalogsuche bzw. einfach per Schlagwort im Suchfeld, z. B. „Kilometerstand“. Caruso liefert dann alle auf dem Marktplatz verfügbaren vordefinierten Datenpakete, die dem Suchbegriff entsprechen. Der Datenlieferant hinterlegt hier eine detaillierte Beschreibung seiner Datensätze und definiert die entsprechenden Preise sowie die vertraglichen Rahmenbedingungen. Der Datenkonsument kann dann gegebenenfalls zwischen verschiedenen Anbietern das passende Angebot auswählen oder verschiedene Angebote kombinieren, um die benötigten Daten für seinen Anwendungsfall zu erhalten. Caruso erhebt eine Vermittlungsgebühr, die ist abhängig von den genutzten Plattformfunktionen, dem Datenvolumen und dem Verkaufspreis der Daten.
Wie ist es gelungen, die Marktakteure davon zu überzeugen, Daten mit anderen teilen statt sie eifersüchtig in proprietären Systemen zu horten?
Alexander Haid: Wir sind gerade erst gestartet, aber wir haben aber schon acht Teilnehmer. Dass es sich um bedeutende Marktplayer wie Bosch, Continental, ZF Openmatics, Werbas, Schaeffler, BMW Car Data, Abax und JimDrive handelt, spricht für einen Paradigmenwechsel innerhalb des Automotive Aftermarket insgesamt. Sie alle haben erkannt, dass sie mit ihrem Engagement auf dem gemeinsamen Marktplatz Caruso von einem erheblichen Wettbewerbsvorteil profitieren. Natürlich gibt es immer noch Industrieunternehmen, die weiterhin an ihren proprietären Systemen festhalten und sich dem Marktplatz verweigern. Hier haben wir noch einen erheblichen Aufklärungsbedarf. Denn Caruso ist eine neue Art, in der Industrie miteinander zu arbeiten und Geschäft zu generieren. Wir haben Partner, die feststellen: „Caruso lädt ein zu einem komplett neuen Spiel mit neuen Regeln, die wir erst noch verstehen müssen…“. Aber es gibt auch Partner, die sagen: „Bisher haben wir vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen! Warum haben wir das nicht schon früher erkannt!“ Sie haben unser Konzept auf Anhieb verstanden und waren sofort mit an Bord.
Lassen sich mit Caruso Abläufe in der digitalen Entwicklung beschleunigen, vielleicht sogar einige Stufen in der eigenen Digitalisierungs-Historie überspringen?
Alexander Haid: Auf jeden Fall. Denken Sie an die Geschichte des Telefons: Proprietäre Handys wie beispielsweise von Nokia etwa boten allein die Dienste ihres Herstellers an. Beim Smartphone hingegen laden Sie eine App und nutzen die Dienste unterschiedlichster Anbieter. Genau an dieser Stelle der Entwicklung befinden wir uns zur Zeit im Automotive Aftermarket: Von proprietären Systemen wechseln wir zu gleich zum „Smartphone“-Stadium. Caruso ist der Marktplatz, der Dienste bzw. Daten unterschiedlicher Anbieter liefert. Selbst wenn Sie vorher kein Nokia benutzt haben, sind Sie durchaus in der Lage, gleich die App auf dem Smartphone zu bedienen, oder?
Caruso wurde in Deutschland entwickelt. Wie stehen Marktteilnehmer anderer Länder dem Datenmarktplatz gegenüber?
Alexander Haid: Der Caruso-Standard kennt keine Ländergrenzen. Alle unsere Shareholder sind international aufgestellt. Es gibt im Automotive Aftermarket keine Alternative zum globalen Engagement. Unternehmen in Russland oder Indien arbeiten nicht anders als in Europa. Länderspezifische Schnittstellen und Datenformate wären hochgradig ineffizient und viel zu teuer. Im ersten Schritt wollen wir natürlich Europa erobern, aber parallel arbeiten wir schon an einem Roll-Out in Nordamerika um Asien, um die nächste Welle der Implementierung zu starten. Allein im Caruso-Team haben wir heute schon mehr als zehn Nationen.
Was bedeutet es, Gesellschafter bei Caruso zu sein und welche Chancen und Pflichten sind damit verbunden?
Alexander Haid: Jeder Partner kann entscheiden, ob er auch Gesellschafter werden will. In dieser Funktion kann er die Geschicke von Caruso mitbestimmen, hat also Mitspracherechte in Bezug auf das Business-Modell oder strategische Ziele. Diese Struktur unterscheidet uns von allen anderen existierenden Marktplätzen. Die Caruso GmbH ist natürlich gewinnorientiert ausgerichtet, schüttet aber keine Dividende an die Gesellschafter aus, sondern die Gewinne fließen vollständig in die Weiterentwicklung des Marktplatzes ein. Damit wird Caruso kontinuierlich die Funktionalitäten seines Datenmarktplatzes erweitern und entsprechend der Bedürfnisse der Partner weiterentwickeln. In enger Abstimmung mit ihnen legen wir Datenindex, Daten- und Servicekatalog sowie die Standardisierung fest und bauen diese stetig weiter aus. Hauptgesellschafter ist die TecAlliance als Digitalisierungsspezialist für den Automotive Aftermarket, an dem 34 Shareholder aus dem Independent Automotive Aftermarket beteiligt sind. Weitere Gesellschafter sind ATR International, die CARAT-Unternehmensgruppe sowie die Eucon Group. Um die Offenheit und Neutralität des Datenmarktplatzes auch in der Gesellschafterstruktur abzubilden, sind wir mit weiteren potenziellen Gesellschaftern aus den Segmenten Versicherung, Werkstatt, Handel, Serviceanbieter und Fleet- und Leasingunternehmen im Gespräch.
Wie kommt man bei Caruso als Partner an Bord?
Wir begleiten Partner als Datenlieferant oder Datenkonsument von der Anfrage über die Klärung von Compliance- bzw. Datenschutzfragen bis hin zum operativen Betrieb. Am Anfang des Prozesses steht ein NDA, im Rahmen eines Letter of Intent erfolgt der strategische und technische Onboarding-Prozess. Mit dem Partner ermitteln wir den Ist-Status, seine Ziele, mögliche Use Cases sowie die konkrete Planung der technischen Seite. Security by Design unter anderem durch Verschlüsselung, Benutzerauthentifizierung und die Einbindung ins Risk Management sind bei uns wichtige Prinzipien des Onboardings. Dieser Prozess dauert erfahrungsgemäß einige Monate, richtet sich allerdings nach den Voraussetzungen auf Partnerseite. Sind alle Aspekte geklärt und ist das Partnership-Agreement getroffen, kann der Go-Live erfolgen. Unser mittelfristiges Fernziel ist das „Self-Onboarding“ per Online-Registrierung.
Herr Haid, herzlichen Dank für das Gespräch.