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Winterreifen ade?

Veröffentlicht am 08.12.2017
 

Reifenfachverband fordert mehr Sachlichkeit in punkto Ganzjahresreifen

Welches ist der sicherste Reifen? Diese Frage beschäftigt die Konsumenten zweimal pro Jahr, wenn die neuen Tests für Winter- und Sommerreifen erscheinen. Denn die einschlägigen Reifentests sind für den Verbraucher eine wichtige Entscheidungshilfe.


Seit einiger Zeit stehen Ganzjahresreifen zunehmend im Fokus diverser Tests. Der Name suggeriert, dass der Ganzjahresreifen ein Alleskönner und jeder Situation gewachsen sei. Und manche Testergebnisse scheinen dies zu bestätigen. Doch wie gut sind sie wirklich, im Vergleich zu den Saisonspezialisten Sommer- und Winterreifen?

Glaubt man Jean-Dominique Senard, dem Chef des Markenreifenherstellers Michelin, brauchen „die meisten Fahrer in Deutschland“ keinen Winterreifen. Dies war – nebst seinem Ratschlag „Ich empfehle ihnen, einen Allwetterreifen zu kaufen“ – jüngst in einem viel beachteten Zeitungsinterview zu lesen. Viele Autofahrer dürften diese Aussagen eines Reifenspezialisten, der noch dazu einen vielfach in Vergleichstests bestens bewerteten Ganzjahresreifen im Produktportfolio hat, als weitere wertvolle Entscheidungshilfe für den Reifenkauf ansehen. Doch vor diesem Schluss warnt jetzt der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV).

„Vorweg sollte festgehalten werden, dass der BRV kein Gegner der Ganzjahresreifen ist. Aber im Gegensatz zur Darstellung von Michelin brauchen wir in Deutschland sehr wohl Winterreifen.“, sagt Yorick M. Lowin, Geschäftsführer des in Bonn ansässigen Reifenfachverbandes.

Der BRV bleibt bei seiner bisherigen Empfehlung, dass Ganzjahresreifen eher für Klein- und Kompaktwagen mit relativ geringer Motorleistung und niedrigen Kilometerlaufleistungen im Jahr geeignet sind, die vornehmlich in Ballungsgebieten und Großstädten bewegt werden. Außerhalb dieses Anwendungsspektrums sollte aus Sicherheitsgründen weiterhin die Devise „Sommerreifen im Sommer, Winterreifen im Winter“ gelten. Eine Faustregel, die nach umfänglicher Bewertung der Thematik auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat aktuell noch einmal bekräftigt.

„Als Branchenverband haben wir eine Verpflichtung, auch den Endverbraucher objektiv aufzuklären. Und hier fordern wir eindeutige objektive Untersuchungen über die Sicherheit von Reifen.“, sagt Lowin und erläutert, warum eine Vielzahl von Reifentests zu Ganzjahresreifen aus Verbandssicht zur objektiven Bewertung und zum objektiven Vergleich nicht geeignet seien: „Sofern die mitgetesteten Referenzreifen aus der Reihe der Sommer-/Winterspezialisten benannt sind, handelt es sich um ein vom getesteten Ganzjahresreifen abweichendes Fabrikat. Teilweise werden sogar Fabrikate von unterschiedlichem Niveau (Premium-, Quality- oder Budgetsegment) herangezogen. Eine Aussage zur Sicherheit lässt sich aus diesen Tests somit nicht ableiten. Damit die objektive Performance des Allrounders im Vergleich zu den spezialisierten Premiumprodukten getestet werden kann, wäre der Test eines Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifens eines Fabrikats erstrebenswert.“, mahnt der Verbandsgeschäftsführer eine sachlichere Untersuchung der Produktperformance an.

Auch beim Thema Laufleistung, einem wichtigen Aspekt im Kostenvergleich der Nutzung von Allwetter- versus Saisonreifen, fehlt es bislang an aussagefähigen Tests.

„Nach unseren Erfahrungen – und bis dato unwidersprochen – haben Ganzjahresreifen im Vergleich zum kombinierten Einsatz von Sommerreifen im Sommer und Winterreifen im Winter eine geringere Laufleistung von bis zu 30 Prozent.“, sagt BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler, der Technikspezialist des Verbandes.

Die oft zitierten Sparpotenziale durch Wegfall von Umrüst- und Einlagerungskosten für den zweiten Reifensatz könnten hierdurch kompensiert werden. Auch hier sollte bei einer fundierten Untersuchung der beste Sommer- und Winterreifen mit dem Ganzjahresreifen desselben Fabrikats verglichen werden, fordert der BRV.

„Dem Endverbraucher sollte klar sein, dass selbst die Saisonspezialisten einen gewissen Kompromiss darstellen, denn im Sommer ist es nicht immer warm und trocken und der Winter bringt nicht nur kalte Temperaturen, feuchtes Wetter und gelegentlich Schnee. Der Ganzjahresreifen ist demnach ein Kompromiss zweier Kompromisse und kann naturgemäß nicht an die Spezialisten heranreichen.“, ergänzt Reifenexperte Hans-Jürgen Drechsler.

Ideale Bedingung im Sinne der Sicherheit wäre ein permanenter Wechsel von Reifen je nach Wetterlage, so wie es ansatzweise in der Formel 1 praktiziert wird. Die Zukunftsvision ist ein Reifen, der sich kontinuierlich an die Wetter- und Straßensituation anpasst. Die Reifenhersteller haben hierzu schon diverse Ideen.


„Insgesamt lässt sich festhalten, dass der aktuelle Trend zu Ganzjahresreifen nicht zukunftsweisend ist.“, sagt Yorick Lowin. „Weder in Sachen Sicherheit, noch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind sie aktuell den fabrikatgleichen Spezialisten überlegen. Die Visionen für die Zukunft setzen auf eine möglichst permanente Anpassung des Reifens an die äußeren Einflüsse.“

Quelle: BRV

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