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Strategien im OEM & IAM Servicemarkt

Veröffentlicht am 13.02.2017
 

Die Forschungs- und Strategie Organisation ICDP analysiert seit mehr als 21 Jahren die Europäische Automobilwirtschaft und ist auf das Neuwagen- und Aftersales-Geschäft spezialisiert. In regelmäßigen Workshops mit den ICDP Mitgliedern aus Fahrzeugindustrie, Zuliefererindustrie, Autohändlern, IAM Unternehmen und Verbänden werden die neusten Forschungs-Ergebnisse präsentiert und diskutiert. In der neusten Deutschland Aftermarket Forschung sehen die ICDP Aftersales Spezialisten einen Rückgang der Reparatur- und Wartungs-Arbeiten von 7,1 % bis zum Jahr 2024. Bis auf den deutschen Markt hat der freie Servicemarkt in den übrigen EU7 Ländern (Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien und Großbritannien) deutlich höhere Marktanteile als die gebundenen Vertragswerkstätten.


Der freie Service- und Reparaturmarkt auf der Überholspur – Strategien im gebundenen und freien Servicemarkt

Verlieren die Fahrzeughändler bzw. deren Vertragswerkstätten weitere Marktanteile, stellt dies eine ernstzunehmende Gefahr für die Profitabilität der Autohändler und deren autorisierten Vertragswerkstätten da. Nicht nur für das Aftersales-Geschäft sondern – bedingt durch die historisch gewachsene Notwendigkeit von Quersubventionen der nur mäßig profitablen Neuwagenverkäufe und Gebrauchtwagenverkäufe – für das Händler-Netzwerk im Allgemeinen.

Es ist jedoch auch klar, dass eine signifikante Steigerungsrate der unabhängigen Werkstätten nur durch aggressive Strategien auf Seiten der organisierten Werkstattketten bzw. Werkstattkonzepte erreicht werden kann – darunter A.T.U (u.a. Deutschland), Halfords Autocenters (England), Kwikfit (England), Norauto (Frankfreich) und Werkstattkonzepte wie Bosch Car Service (europaweit). Nur diese organisierten Unternehmensformen haben die Glaubhaftigkeit und Größe, um genau die Kunden anzusprechen, die für das Geschäft der Vertragswerkstätten so wichtig sind – Fahrzeuge aus dem Segment 1 inklusive der Flotten-Kunden.

Die schwächen der Vertragswerkstätten

Zusätzlich zum Wettbewerb zum unabhängigen Servicemarkt erhöht eine Reihe strategischer Umstände den Druck auf die Vertragswerkstätten und schränkt deren Handlungsspielraum ein. Darunter:

  • Die Struktur des Vertragswerkstätten-Netzwerks basierend auf unabhängigen Betreibern, deren Interessen nicht immer übereinstimmen – weder untereinander, noch mit dem Hersteller, den sie repräsentieren.
  • Zunehmende Preistransparenz und Preisdruck von Flotten- und Privatkunden
  • Sowie Kosten die durch Herstellervorgaben entstehen – wie z.B. in Form von Autoteile-Preise und Service-Standards

Die Hersteller haben eine Reihe von Initiativen, um das profitable Autoteilegeschäft zu sichern. Dazu gehören u.a. im Kaufpreis inbegriffene oder vom Kunden bezahlte Service-Pläne bzw. Service-Flatrates, individuelle Finanzierungs-Produkte und Zweitmarken-Ersatzteile für eine zeitwertgerechte Reparatur. In vielen Fällen reduziert dies die Margen der Vertragswerkstatt, die entsprechend wenig Verständnis für diese Defensivinitiativen aufbringen.

Die Strategien im independent Aftermarket

Organisierte Werkstätten im freien Aftermarket gibt es in unterschiedlichen Formen. Im Rahmen des ICDP Forschung-Programmes wurden folgende Unternehmen detaillierter betrachtdet: A.T.U (Deutschland), Halfords Autocentres (England), Kwikfit (England) und Norauto (Frankreich) als Werkstattketten sowie Bosch Car Service (europaweit) als den führenden Werkstattkonzept-Betreiber mit „harten“ Standards bezogen auf Fähigkeiten, Aus- & Weiterbildung und weiteren Faktoren. Nicht all diese Unternehmen haben aggressive Methoden, um Marktanteile zu gewinn¬¬en. Einige zielgerichtete Strategien sind jedoch auffällig

  • Zielausrichtung auf große Flotten, unterstützt durch Preisvorteile und weiteren Angebote wie z.B. Onlinebuchung oder Hol-und-Bring-Service
  • CRM-Programme für Privatbesitzer neuerer Fahrzeuge, mit Sonderangeboten und Bündelungs-Angebote wie z.B. „Tyres for Life“
  • Bequemer Buchungsprozess inklusive Onlinebuchung und zentralen Callcentern
  • Allianzen mit Versicherungen um einen Fahrzeug-Services anbieten zu können als Teil versicherungsgestützter und verlängerter Garantien oder Service-Pläne
  • Werbung die explizit an Besitzer neuerer Fahrzeuge gerichtet wird, mit der Zusage von Preisvorteilen und dem Hinweis, dass die Herstellergarantie nicht beeinflusst wird wie auch die Wartung nach Herstellervorgaben
  • Service-Pläne mit individuell, gestaltbaren Laufzeiten oder Service-Flatrates über Leasing-Unternehmen

Werden diese Strategien dauerhaft angewendet, ist unvermeidlich, dass diese den Druck auf die Vertragswerkstätten weiterhin erhöhen. Fahrzeughersteller und ihre Netzwerke werden gezwungen, einerseits in vergleichbare Programme zu investieren. Andererseits muss die preisliche Konkurrenzfähigkeit bei Ersatzteilen und Stundenverrechnungssatz geboten und kommuniziert werden. Zusammengenommen wird dies die Aftersales Profite auf Seiten der Hersteller und Händler bzw. Vertragswerkstätten reduzieren und somit auch die Möglichkeit, Neuverkäufe zu quersubventionieren.

Hindernisse und Grenzen des Erfolgs von Werkstattketten und Werkstattkonzepten

Was spricht aus Sicht der Werkstattketten dagegen, diese Strategien anzuwenden und ihren Erfolg auf Kosten der Vertragswerkstätten auszubauen?


  • Eine der wichtigsten Überlegungen von Flottenkunden ist der Restwert. Schon eine kleine Beeinflussung des Restwerts bedingt durch eine nicht-OE-Service-Historie, würde die Einsparungen während der Flottenperiode überwiegen, die die wenigen Servicereparaturen bei einem nicht-OE-Anbieter mit sich gebracht haben. Dem kann aus Sicht der Werkstattketten nur entgegengewirkt werden, wenn man es schafft, objektiv als gleichwertig angesehen zu werden.
  • Bei Werkstattkonzepten, die komplett oder zum Großteil auf Werkstatt-Inhabern basieren, bedarf jede netzwerkübergreifende Kampagne (wie z.B. CRM oder Sonderangebote) die Unterstützung aller Konzeptwerkstätten. Nur so kann ein einheitliches Angebot für den Kunden geschaffen werden. Diese Einschränkung trifft teilweise auch auf die Vertragswerkstatt-Netzwerke zu. Jedoch scheint die gegenseitige Abhängigkeit in der Beziehung zwischen Hersteller und Händler dafür zu sorgen, dass die Hersteller die von ihnen geforderten Initiativen bei den Händler mit unterstützen.
  • Wollen die freien Werkstattketten und Werkstattkonzepte ihre technischen Fähigkeiten erhöhen, um auf breiter Front mit den Vertragswerkstätten mitzuhalten, müssen sie in Ausstattung und Weiterbildung investieren. Die entstehenden Kosten müssten zwangsläufig an die Kunden weitergegeben werden. Das schränkt einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil jedoch ein.
  • ICDP sieht Telematik-unterstützte Aftersales Services als ein in den kommenden Jahren entscheidendes Wachstumsfeld für die gesamte Industrie. Hersteller und Vertragswerkstätten haben den Vorteil des ersten Kundenkontakts. Zudem kontrollieren sie das geistige Eigentum bezogen auf die Fahrzeugsysteme. Wettbewerbsbehörden signalisieren bereits, dass der Zugang zu Telematik-Daten auf dieselbe Art behandelt wird, wie andere technische Informationen. Diejenigen, die mit der Branche vertraut sind, werden jedoch wissen, dass dies keine wirklich gleichen Ausgangsvoraussetzungen bedeutet.

Fazit: Freie Werkstätten in Kooperation mit OEM

Die herausgestellten Grenzen und Hindernisse betrachtend, werden die organisierten Werkstattketten sowie Werkstattkonzepte dauerhaft keine aggressive Strategie fahren. Wir glauben vielmehr, dass Werkstattketten bessere Ergebnisse erzielen können, indem sie nach Möglichkeiten Ausschau halten mit Herstellern und deren Vertragswerkstätten zu kooperieren, um eine möglichst breite Serviceabdeckung anbieten zu können in Bezug auf grundlegende Wartungs- und Reparatur-Arbeiten für alle Fahrzeug-Alter-Segmente wie auch aller Marken. Eine solche Kooperation wird für die führenden Hersteller mit großen existenten Vertragswerkstatt-Netzwerken und starken Marken kaum erstrebenswert sein. Für kleinere Fahrzeughersteller jedoch wäre ein glaubhaftes Angebot eines freien Werkstattnetzwerkes – die zentrale Abdeckung im Aftersales-Geschäft zu übernehmen und zwar mit vom Hersteller gelieferten Originalersatzteilen – eine innovative und rentable Möglichkeit sich als Unternehmen am Markt zu positionieren. René Herrmann / ICDP

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