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Wissmann: Digital und Elektro

Veröffentlicht am 08.11.2016
 

Wissmann: Wir nehmen die Herausforderungen der Zukunft an: Die deutsche Automobilindustrie habe in den vergangenen Jahren bereits 14 Mrd. Euro in die Elektromobilität investiert und zähle mit derzeit 30 Elektro-Serienmodellen weltweit zu den Leitanbietern für Elektromobilität.


„Wir können uns heute vorstellen, dass im Jahr 2025 der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Pkw-Neuzulassungen weltweit bei 15 bis 25 Prozent liegen könnte. Die Entwicklung beschleunigt sich – noch vor kurzem rechneten Experten eher mit einem Anteil von lediglich 3 Prozent“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der VDA-Mitgliederversammlung in Berlin vor mehr als 300 hochrangigen Vertretern der Automobilindustrie.

Die Elektromobilität sei ein wichtiger Baustein für die Erreichung der Klimaziele und zur Senkung der Schadstoff- und CO2-Emissionen, wenn die Energiepolitik der Entwicklung entsprechend folge. Das gelte sowohl für den Pkw als auch die Nutzfahrzeuge.

Wissmann äußerte sich allerdings auch entschieden zur aktuellen politischen Diskussion, „in der die Rufe nach dem Verbot des Verbrennungsmotors lauter“ würden: „Diesel, Testverfahren und Schadstoffwerte prägten die Debatte der letzten Monate. Aber die Forderung nach einem gänzlichen Verbot des Verbrennungsmotors ist nicht zu Ende gedacht. Der Verbrennungsmotor wird auch im Jahr 2030 noch einen wesentlichen Anteil am Antriebsmix auf der Straße haben. Daher ist hier der Hebel für eine signifikante CO2-Reduktion am größten. Und daher wollen wir diesen Klimabeitrag ebenfalls nutzen.“ Zudem biete der Verbrennungsmotor mittel- und langfristig sogar eine klimaneutrale Perspektive – durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe. Deren künftiger Stellenwert werde aus gutem Grund sowohl von der EU als auch von der Bundesregierung hervorgehoben.

Das Gros der Autos auf der Straße seien heute Benziner und Diesel. Beide seien immer effizienter geworden: „In den vergangenen zehn Jahren konnte der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch neu zugelassener Pkw in der EU um gut ein Viertel reduziert werden, entsprechend sanken die CO2-Emissionen. Und das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Wir rechnen damit, dass wir die Effizienz von Benzinern und Diesel in den kommenden Jahren noch um mindestens 10 bis 15 Prozent steigern können“, betonte Wissmann und fügte hinzu: „Wir wissen noch nicht, welche Antriebe sich in welchen Regionen und zu welchem Zeitpunkt durchsetzen werden. Deshalb brauchen alle Hersteller das komplette Angebot: gute Modelle mit Hybrid- und Elektroantrieben genauso wie effiziente Diesel und Benziner. Unser gemeinsames Ansinnen ist es, unseren Beitrag für die Klimaschutzziele der EU zu leisten. Die Politik ist hier gefragt, kluge Rahmenbedingungen zu setzen, damit umweltfreundliche Gesamtlösungen am Markt eine Chance haben.“

Dies gelte auch für die diskutierte CO2-Regulierung der EU „post 2020“. „Die bestehende Regulierungsmethodik muss für künftige Ansätze reformiert werden. Wir brauchen keine strengere Regulierung. Unsere Hersteller sind bereits heute vorne mit dabei, wenn es um die Entwicklung klimafreundlicher Antriebe geht“, so Wissmann. Der Verkehrssektor in Deutschland und Europa leiste einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung; dieser werde in den kommenden Jahren noch steigen.

Elektromobilität und Digitalisierung als Megatrends – Deutsche Automobilindustrie auf Innovationskurs

Wissmann unterstrich: „Mit dem 95-Gramm-Ziel, das die EU für Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2020/2021 vorschreibt, verfolgt sie die weltweit anspruchsvollste Klimaschutzstrategie. Unser Anliegen ist es, den sogenannten 2-Säulen-Ansatz weiterzuentwickeln und zu etablieren. Dieser sieht für eine weitere CO2-Emissionsminderung einerseits technische Maßnahmen am Fahrzeug vor, andererseits wird aber auch die Vorkette nicht aus der Verantwortung entlassen: Wo und wie wird welcher Kraftstoff produziert und eingesetzt, wie ist das Fahrverhalten des individuellen Kunden?“ Der europäische Automobilverband ACEA verfolge mit dem integrierten Ansatz („Integrated Approach“) eine ähnliche Herangehensweise.

Neben der Senkung der CO2-Emissionen und dem Hochlauf der alternativen Antriebe ging Wissmann auch auf die Verbesserung der Luftqualität ein. Insbesondere der ab 2017 kommende Straßentest (Real Driving Emissions, RDE), der den Labortest ergänzt, werde eine deutliche Verringerung der Schadstoffemissionen im realen Straßenverkehr bringen. Der RDE-Test wird unter beliebigen Umgebungsbedingungen durchgeführt; Beschleunigung, Außentemperatur, Windverhältnisse und Verkehrslage sind zufällig. Wissmann betonte: „Der aktuell vorliegende RDE-Entwurf sieht sehr scharfe Bedingungen und Grenzwerte vor. Wir stehen dazu, plädieren aber dafür, dass diese Anforderungen auch zeitlich und technisch umsetzbar bleiben.“

Die Stickstoffdioxidemissionen (NO2), die an etlichen Straßenverkehrsmessstationen noch über dem EU-weiten Grenzwert lägen, könnten durch eine rasche Einführung von Euro 6-Pkw und mit RDE gelöst werden: „Tatsächlich wäre eine Durchdringung mit Euro-6-Fahrzeugen die wirksamste Möglichkeit, die NOx-Emissionen deutlich zu reduzieren. Zusätzlich helfen kurzfristig umsetzbare verkehrliche Maßnahmen zur Verkehrsverstetigung‚ wie beispielsweise ‚Grüne Welle‘, und Minderung des Parkplatzsuchverkehrs sowie der Ersatz von älteren Taxen, Bussen und anderen Kommunalfahrzeugen durch modernste Fahrzeuge“, sagte Wissmann.

Um die wichtigen Zukunftsthemen der Branche in der Öffentlichkeit noch stärker zu akzentuieren, hat der VDA die Initiative „Mobilität von morgen“ ins Leben gerufen. Ein Baustein dieser Initiative ist eine Veranstaltungsreihe. Den Auftakt machte „Dr. Dieter Zetsche (Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG) im Gespräch“ am 6. Oktober, gefolgt von der Dialogveranstaltung mit Dr. Volkmar Denner (Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH) und Prof. Dr. Stefan Bratzel (Fachhochschule der Wirtschaft, Bergisch Gladbach, Leiter des Instituts Center of Automotive Management, CAM) am 2. November. Wissmann betonte: „Unser Ziel ist es, Hersteller und Zulieferer, Wissenschaft und Politik gemeinsam an einen Tisch zu bringen und gemeinsam die Weichenstellungen für die Zukunft zu diskutieren. Der Erfolg der Veranstaltungen zeigt, dass wir ein wichtiges Format zur richtigen Zeit anbieten.“

Überdies arbeite die deutsche Automobilindustrie mit Hochdruck an neuen Mobilitätskonzepten, die auch ganz neue Geschäftsmodelle mit sich bringen: „Geschuldet ist diese Entwicklung einer sich rasant ändernden Erwartungshaltung des Kunden, der nicht mehr nur nach einem Produkt, sondern vielmehr nach einer Mobilitätsdienstleistung verlangt“, so Wissmann: „Zudem treten ganz neue Akteure in den Markt, etwa große IT-Konzerne. Wir nehmen diese Herausforderung ernst, aber wir nehmen sie auch an. Die deutsche Automobilindustrie verfügt über ein lange gewachsenes Know-how in der Fahrzeugentwicklung. Kombiniert mit den intensiven Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in den Bereichen Digitalisierung und vernetztes Fahren, müssen wir den neuen Wettbewerb nicht scheuen. Wir haben als Automobilindustrie den Anspruch, ganz vorne dabei zu sein. Junge Technologieunternehmen und Startups können uns dabei helfen, weil sie experimenteller und risikoreicher arbeiten können.“

Der VDA habe erste Kooperationen gestartet, um die Zusammenarbeit zwischen Startups und der Automobilindustrie zu forcieren, sagte Wissmann: „Damit verfolgen wir das Ziel, einen Raum für Netzwerkbildung zu schaffen. Insbesondere für den Mittelstand sehen wir hier eine gute Möglichkeit, sich in diesem Rahmen auszutauschen und neue Formen der Zusammenarbeit zu etablieren. Diesen erfolgversprechenden Weg wollen wir weiter fortsetzen, Unser Ziel lautet: Voneinander lernen, um die Mobilitätsbedürfnisse unserer Kunden sicherzustellen.“

Die Digitalisierung und Vernetzung betreffe die gesamte Automobilindustrie: „Wir erleben hier gerade die vielzitierte ‚Disruption‘ etablierter Geschäftsmodelle. Daten sind das neue Öl. Nur weiß noch keiner so genau, wie man es fördern soll. Die Pumpe hat ausgedient, vielmehr bohren viele Akteure im gleichen Loch, und alle wollen davon profitieren. Für uns müssen aber folgende Prämissen immer an erster Stelle stehen: Fahrzeugsicherheit, Produkthaftung, Datenschutz und IT-Sicherheit.“

Eine erfolgreiche Bilanz zog Wissmann mit Blick auf die Pkw-Märkte: „Im vergangenen Jahr steigerten die deutschen Automobilhersteller ihre globale Pkw-Fertigung auf den neuen Rekord von 15,1 Mio. Einheiten. Dabei ist die Inlandsfertigung erstmals seit zehn Jahren wieder stärker gewachsen als die Auslandsproduktion, nämlich um 2 Prozent auf 5,7 Mio. Einheiten.“

Auch im ersten Halbjahr 2016 haben die großen Märkte China, Westeuropa und Nordamerika weiter zugelegt. Wissmann: „Die Beschäftigung in der deutschen Automobilindustrie stieg in Deutschland auf über 800.000 Mitarbeiter in den Stammbelegschaften. Die Automobilindustrie bleibt ein entscheidender Jobfaktor in Deutschland.“

Ebenso hätten die deutschen Nutzfahrzeughersteller 2015 von einem starken westeuropäischen Markt profitiert. Der Absatz von schweren Lkw stieg um 14 Prozent auf gut 259.000 Einheiten, im ersten Halbjahr 2016 betrug das Wachstum 16 Prozent. „In Westeuropa tragen rund 50 Prozent der neuen Lkw ein deutsches Konzernlogo“, so Wissmann. Auch die deutschen Hersteller von Anhängern und Aufbauten waren erfolgreich unterwegs, ihr Umsatz stieg 2015 um 6 Prozent auf 10,4 Mrd. Euro. Wissmann betonte „Die deutschen Zulieferer setzen ihren Internationalisierungskurs rasch fort. Im vergangenen Jahr zählten sie 3.000 Standorte weltweit – ein Zuwachs um rund 700 Standorte seit 2010. Vor allem die 100 größten Zulieferer sind so stark internationalisiert wie die Hersteller.“

Die „politische Großwetterlage“ mache es der deutschen Automobilindustrie auf manchen internationalen Märkten nicht leicht, erläuterte Wissmann. Nach dem Votum der Briten (Brexit) stehe auch die Europäische Union nicht nur politisch vor grundsätzlichen Fragen, auch wirtschaftlich müssten die Weichen neu gestellt werden. Das Gleiche gelte, so der VDA-Präsident, für die Diskussion rund um das Thema Freihandelsabkommen: „Eine Hängepartie wie bei CETA darf sich künftig nicht wiederholen. Deswegen gilt es, die Entscheidung, dass Handelsabkommen allen EU-Mitgliedsländern zur Abstimmung vorgelegt werden können, zu überprüfen. Sonst werden wir auf Dauer für unsere Handelspartner unberechenbar und damit unattraktiv. Die Zuständigkeit für handelspolitische Fragen liegt seit jeher bei der EU. Hier steht zu viel auf dem Spiel: Glaubwürdigkeit, Verantwortung und Arbeitsplätze. Vor allem müssen wir bei alldem dafür sorgen, dass die Institution ‚Europäische Union‘ keinen weiteren Schaden nimmt.“


Quelle: VDA

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