Marktdaten Reifenersatzgeschäft 2015/2016 in Deutschland
Mit dem Verlauf des Geschäftsjahres 2015 kann der deutsche Reifenfachhandel nicht wirklich zufrieden sein. Dennoch hat es sich insgesamt etwas besser entwickelt, als wir im Jahresverlauf zeitweise befürchtet hatten“, so resümiert Peter Hülzer das Reifenersatzgeschäft im letzten Jahr. Er ist geschäftsführender Vor- sitzender des in Bonn ansässigen Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV), der als Fachverband die Interessen der auf Reifen und Räder spezialisierten Unternehmen vertritt. Davon gibt es in Deutschland gut 2.000 mit insgesamt etwa 4.500 Standorten, rund vier Fünftel gehören dem Verband als Mitglieder an.
Die aktuell vom BRV vorgelegten „Marktdaten Reifenersatzgeschäft 2015/2016“ weisen für 2015 folgende Entwicklungen der Stückabsätze im Sell-out (Handel an Verbraucher) aus:
Gut 50,4 Millionen Fahrzeugreifen aus den Segmenten Consumer-Reifen (für Fahrzeuge der Klassen Pkw, Off-Road und Leicht-Lkw) und Lkw-Reifen wurden 2015 im deutschen Reifenersatzgeschäft verkauft. Hinzu kamen rund 275.000 Stück aus den vergleichsweise kleinen Segmenten der Reifen für Motorräder, landwirt- schaftliche Nutzfahrzeuge sowie Erdbewegungsmaschinen. Das macht insgesamt einen Stückabsatz von knapp 50,7 Millionen und damit rund ein Prozent weniger als im Vorjahr. „Das ist nicht dramatisch, aber lei- der hat sich unsere Einschätzung vom letzten Frühjahr, dass 2015 das vierte Jahr in Folge für die Branche schwierig werden dürfte, damit bestätigt“, resümiert Verbandschef Hülzer.
Bei der Betrachtung nach Produktsegmenten zeigt sich, dass im stückzahlmäßig größten Segment Pkw- Reifen, die einen Anteil von gut vier Fünfteln am gesamten Reifenersatzgeschäft ausmachen, der Absatz- rückgang mit durchschnittlich zwei Prozent am höchsten war. Dabei sank der Absatz an Sommer- und Ganz- jahresreifen um ein Prozent, Pkw-Winterreifen wurden – eine Folge des erneut sehr milden Winters – 3,3 Prozent weniger verkauft als im Vorjahr.
Mit einem Plus von knapp 13 Prozent entwickelte sich der Verkauf von Off-Road-Reifen hingegen deutlich positiver als erwartet – für diese Produktgruppe hatte der Verband nach drei Prozent Zuwachs in 2014 die- selben Wachstumschancen für 2015 prognostiziert. „Diese Entwicklung resultiert aus den Veränderungen im Fahrzeugbestand.“, erklärt BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler, „Der Anteil an SUV und vierradge- triebenen Fahrzeugen nimmt stetig zu, also steigt prozentual auch der Ersatzbedarf an Reifen für diese Fahrzeugklasse.“ Die Verkaufsstatistik belegt das: Der Anteil Off-Road am gesamten Ersatzgeschäft mit Consumer-Reifen ist im Vergleich der letzten beiden Jahre von sieben auf knapp acht Prozent gestiegen. Für 2016 rechnet der BRV mit einem erneuten Absatzplus an Off-Road-Reifen, wenn auch weniger stark als in 2015. Im Segment Leicht-Lkw-Reifen erfuhr der Stückverkauf mit minus 1,9 Prozent den zweitstärksten Rück- gang. Rund 3,14 Millionen an neuen und runderneuerten Sommer- und Winterreifen wurden hier abgesetzt.
Im Nutzfahrzeugbereich sind Lkw-Reifen – neu + runderneuert – die stärkste Produktgruppe. Von ihnen wurden im vergangenen Jahr knapp 2,7 Millionen verkauft, während die Absatzzahlen von Reifen für land- wirtschaftliche Fahrzeuge (FARM-Reifen) und Erdbewegungsmaschinen (EM-Reifen) nur jeweils in tausend Stück gemessen werden. Einem Plus von 2,3 Prozent im Verkauf von Lkw-Neureifen stand ein Absatzrückgang von 8,4 Prozent bei runderneuerten Lkw-Reifen gegenüber, so dass sich im Schnitt ein Minus von 1,5
Prozent ergibt. „Hier zeigt sich sehr deutlich, unter welchem Druck speziell die Lkw-Reifenrunderneuerer durch die boomenden Importe billiger Neureifen aus China stehen“, sagt Hans-Jürgen Drechsler. „Runder- neuerte Reifen machen im Lkw-Segment nur noch knapp ein Drittel aus, Neureifen gut zwei Drittel.“ Für 2016 rechnet der Verband sogar damit, dass der Stückzahlverlust Runderneuerter mit gut zehn Prozent noch deutlicher ausfallen wird. Denn nicht nur China-Importe werden der Produktgruppe weiter zu schaffen machen; mit dem Inkrafttreten der De-minimis-Förderrichtlinie 2016 zum gleichnamigen Förderprogramm des Bundes haben die vorwiegend mittelständischen Unternehmen der Runderneuerungsbranche ein neu- es, großes Problem. Runderneuerte Lkw-Reifen sind nämlich im Gegensatz zu Neureifen seit Januar nicht mehr förderfähig, die Nachfrage ist infolgedessen stark eingebrochen. Der BRV, der auch die Runderneuerer vertritt, kämpft zwar seit Wochen um eine Richtlinienänderung, aber der Ausgang ist noch ungewiss. Drechsler: „Diese Situation ist für viele Runderneuerer existenzbedrohend. Selbst wenn wir im Endeffekt Erfolg haben sollten: Die Uhr tickt, und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Betriebe werden schon allein bis zur Ent- scheidung ums nackte Überleben kämpfen müssen!“
n den übrigen Produktgruppen, die von den Verkaufsvolumina her eher als Nischen zu bezeichnen sind, konnten aufgrund einer guten Baukonjunktur lediglich die EM-Reifen ein Absatzplus von gut vier Prozent auf knapp 39.000 Stück verbuchen. Für Landwirtschaftsfahrzeuge wurden 234.500 FARM-Reifen verkauft, das entspricht einem leichten Minus von 1,3 Prozent gegenüber Vorjahr. Auch der Absatz von Motorradreifen ging um 1,4 Prozent auf nunmehr 1,42 Millionen Stück zurück.
Für das Geschäftsjahr 2016 rechnet der BRV derzeit mit Ausnahme von Off-Road-Reifen und runderneuer- ten Lkw-Reifen weitgehend mit stabilen Verkaufszahlen.
Hier die Prognose nach Segmenten:
- Pkw-Reifen + 2,3 Prozent
- Off-Road-Reifen + 8,7 Prozent
- Llkw-Reifen + 2,9
- Prozent Lkw-Neureifen + 1,1 Prozent
- Lkw runderneuert – 10,3 Prozent
- Lkw-Reifen gesamt – 2,6 Prozent
- Motorradreifen 0,0 Prozent
- FARM-Reifen 0,0 Prozent
- EM-Reifen + 2,6 Prozent.
Die Einschätzung für die mit Abstand größte Produktgruppe Pkw-Reifen resultiert im Wesentlichen daraus, dass das Reifenersatzgeschäft von drei Haupt-Faktoren beeinflusst wird: Fahrzeugbestand, durchschnittli- che Pkw-Fahrleistung und Laufleistung der Reifen. Drechsler: „Aus keinem dieser drei Faktoren sind nen- nenswerte Impulse für den Reifenabsatz zu erwarten: Der Fahrzeugbestand verändert sich nur punktuell um einen halben bis einen Prozentpunkt, die Fahrleistung ist trotz gesunkener Kraftstoffpreise rückläufig und die Lebenserwartung von Reifen steigt infolge des technischen Fortschritts. Lediglich der jetzt langsam zu er- wartende Ersatzbedarf für Fahrzeuge, die im Zuge der Abwrackprämie neu angeschafft wurden, lässt uns ein leichtes Plus erwarten.“
Doch die Stückbetrachtung ist nur eine Seite des Reifenersatzgeschäftes; wie sieht es mit der Wertebene aus? „Unser Jahresbetriebsvergleich 2015 zeigt, dass sich Umsatz und Ertrag im Reifenfachhandel besser entwickelt haben als der Stückabsatz“, sagt BRV-Chef Peter Hülzer. Der Gesamtumsatz stieg im Durchschnitt um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2014, der durchschnittliche Rohertrag konnte um 4,4 Pro- zentpunkte auf 37,7 Prozent vom Umsatz ausgebaut werden. Der Umsatz mit Reifenverkäufen ging um 0,2
Prozent zurück, was aber durch ein Umsatzplus von durchschnittlich 3,5 Prozent mit Reifenservice- Dienstleistungen kompensiert werden konnte. Erkennbar sei die Konzentration vieler Händler auf das Ge- schäftsfeld Autoservice, berichtet der BRV. Hier wurde der Umsatz (Lohn und Ersatzteile) mit einem Plus von knapp zehn Prozent weiter stark ausgebaut.
„Über diese Durchschnittswerte hinaus lassen die Detailauswertungen des Jahresbetriebsvergleichs ein paar interessante Rückschlüsse zu.“, erläutert Peter Hülzer. „Zum einen: Es gibt Sieger und Verlierer, das heißt, Wachstum ist in dem weitgehend gesättigten Markt nur über Verdrängung möglich. Fakt 2 ist, dass der aus Reifenverkäufen resultierende Umsatz geringer gesunken ist als die Stückzahlen, was auf einen verbesser- ten Produktmix schließen lässt. Und last, but not least ist die zunehmende Diversifizierung der Werkstattleis- tungen in Richtung Autoservice ein deutlicher Indikator für einen tiefgreifenden Strukturwandel in der Branche.“
Da das Kerngeschäft zunehmend unter Druck gerate, müssten die Reifenspezialisten sich nach neuen Ge- schäftsfeldern umsehen, um langfristig ihre Existenz zu sichern. Daran, so kritisiert Hülzer, sei auch die Rei- fenindustrie nicht ganz unschuldig, die durch Überproduktion und mangelnde Markthygiene ein High-Tech- Produkt mehr und mehr zur Massenware verkommen lasse. Und das mache es zunehmend auch schwer, dazu hochwertige Hightech-Dienstleistungen zu verkaufen.
Der Einstieg in den Autoservice ist deshalb für viele Reifenfachhändler ein naheliegender Versuch, ihr Geschäft auf festere Basis zu stellen. Der Fachverband unterstützt seine Mitglieder dabei mit neuen Angeboten; so wird z.B. im 2. Halbjahr ein Pilotlehrgang zum neuen Weiterbildungsangebot „Kfz-Serviceberater“ stattfin- den. Doch auch das Kfz-Servicegeschäft ist wettbewerbsintensiv und eigentlich mit Anbietern auch schon überbesetzt, weshalb der BRV im vergangenen Jahr die renommierte Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants damit beauftragt hatte, ein „Geschäftsmodell Zukunft für den Reifenfachhandel“ zu entwickeln. Mit den hierin aufgezeigten Ansatzpunkten sollen die Reifenfachhandelsunternehmen jetzt an die standortindividuelle Umsetzung gehen. Ob Fahrzeugaufbereitung, Car-Sharing oder Pop-up-Stores in Einkaufszentren: Eine „Task Force“ der ebenso praxisorientierten wie branchenaffinen Kölner Beratungsgesellschaft BBE Automotive steht schon bereit, um BRV-Mitgliedsbetriebe mit einem ausgeklügelten Analyse- und Coaching-Konzept bei der Realisierung ihres eigenen Geschäftsmodells Zukunft zu unterstützen und zu begleiten.
Quelle: BRV