12. Qualitäts-Gipfeltreffen der Automobilindustrie in Leipzig – Klare Worte zum Diesel
Wissmann: Deutsche Hersteller und Zulieferer bei Qualität führend
Leipzig/Berlin, 16. November 2015. „Die Qualität der Fahrzeuge deutscher Hersteller und Lieferanten ist nach wie vor erstklassig. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben daran nichts geändert. Wie erfolgreich deutsche Qualitätsmanager tagtäglich arbeiten, lässt sich an den Qualitäts- und Zuverlässigkeitsrankings ablesen: So finden sich im aktuellen TÜV-Report 2016 auf den obersten drei Plätzen ausschließlich Modelle deutscher Premiumhersteller, und das trotz teils sehr hoher Laufleistungen. Auch bei den Top Ten ist das Ergebnis für die deutschen Marken eindeutig. Im Dekra Gebrauchtwagenreport finden sich in der Kategorie ‚Bester aller Klassen‘ ausschließlich deutsche Modelle unter den Top 3 – und Autos aus deutscher Produktion stellen in sieben von neun Fahrzeugklassen den Gewinner. Diese Erfolge stehen stellvertretend für die gesamte Qualität der deutschen Automobilindustrie, sowohl der Fahrzeughersteller als auch der Lieferanten. Die gute Zusammenarbeit zwischen ihnen ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis der deutschen Automobilindustrie. Wir sind stolz, beide Gruppen im VDA zu vertreten“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), zum Auftakt des 12. Qualitäts-Gipfeltreffens der Automobilindustrie, das am 16./17. November 2015 im Porsche Werk Leipzig stattfindet. Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, sprach in seinem Statement die Schwerpunkte der Verkehrspolitik der Bundesregierung an. Begrüßt wurden die 250 Teilnehmer des Qualitätsgipfels von Siegfried Bülow, Vorsitzender der Geschäftsführung der Porsche Leipzig GmbH.
Gleich zu Beginn seiner Rede ging Wissmann auf das Thema VW und Diesel ein: „Die Manipulation von Software und Emissionsangaben widersprechen dem Selbstverständnis der Automobilindustrie. Die Ereignisse müssen vollständig und konsequent aufgeklärt werden. Die Manipulationen haben Vertrauen gekostet – in das betroffene Unternehmen, in die gesamte Branche und nicht zuletzt in die Dieseltechnologie. Es ist verständlich, dass sich Kunden und Öffentlichkeit fragen, ob der ‚Clean Diesel‘ in Wahrheit schmutzig ist. Das ist aus unserer Sicht nicht der Fall.“
Der VDA-Präsident betonte: „Es kommt jetzt darauf an, dass wir alle mit Fakten und Argumenten der gefährlichen Generalisierung entgegentreten, die sich im Schlagwort ‚Dieselgate‘ widerspiegelt. Gesetzesverstöße eines Unternehmens rechtfertigen keinen Generalverdacht gegen Hunderte von Zulieferern und Herstellern, die am Dieselkonzept beteiligt sind.“ Der Diesel sei kein Auslaufmodell, unterstrich Wissmann: „Im Gegenteil: Der Euro-6-Diesel hilft entscheidend bei der Minderung von CO2-Emissionen. Er erreicht bei der Reduktion von Schadstoffen Topwerte – auch auf der Straße.“
Welche Rolle der Diesel für die deutsche Automobilindustrie spiele, zeigten die Zahlen: „Jedes zweite Auto, das in Westeuropa neu zugelassen wird, ist ein Diesel. Und jeder zweite Diesel, der in Westeuropa verkauft wird, trägt ein deutsches Markenzeichen“, so Wissmann.
Die Technologie habe sich in den letzten Jahrzehnten „unglaublich verbessert“: „Der Dieselmotor ist an den beiden großen Baustellen, die wir ökologisch haben – die Reduktion von Schadstoffen, Rußpartikeln, Stickoxiden einerseits und die Reduzierung des Verbrauchs und damit der CO2-Emissionen andererseits – ein ganz wichtiger Helfer. Auf ihn können und wollen wir nicht verzichten, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen“, unterstrich der VDA-Präsident.
Er wies auf einen weiteren Punkt hin: „Verbrauch und Emissionen unterliegen im Straßenverkehr erheblichen Schwankungen. Die EU-Normwerte werden in einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren auf dem Prüfstand ermittelt.“ Eine Abweichung von diesen so ermittelten EU-Normwerten auf der Straße sei schon aus physikalischen Gründen nicht zu vermeiden und rechtmäßig.
Zu diesen Abweichungen tragen, so Wissmann, vor allem unterschiedliche Fahrweisen sowie Verkehrs- und Witterungsbedingungen bei. Die dadurch bewirkte Bandbreite von Verbrauch und Emission gelte für alle Antriebsarten. Über einen neuen realistischeren Labortest – genannt WLTP – und Abgasmessungen auf der Straße (RDE-Regulierung) sollten die Unterschiede zwischen Prüfstand und Straße künftig verringert werden. Das schaffe Klarheit, Sicherheit und Transparenz für die Kunden.
Anschließend widmete sich Wissmann den Themen des Qualitätsgipfels. Es sei das besondere Merkmal der deutschen Automobilindustrie, dass sie Premiumqualität nicht nur im Premiumsegment anbiete, betonte er. Das müsse fortgeführt werden. Nur mit dem konsequentem Willen zur ständigen Verbesserung der Systeme, Prozesse und Produkte lasse sich der weltweit gute Ruf dieser Industrie weiter stabilisieren und dort wiederherstellen, dort wo er gelitten habe.
Wissmann erläuterte anhand von zwei Beispielen – der Hochschulinitiative und der Globalisierungsstrategie – die Arbeit im Qualitätsmanagement-Ausschuss (QMA) des VDA. Die Hochschulinitiative des QMA verfolge das Ziel, Impulse aus der automobilen Lieferkette direkt mit in die Hochschulausbildung einfließen zu lassen. „Im Umkehrschluss können wir wissenschaftliche Erkenntnisse aufgreifen und in die Verbandsarbeit aufnehmen“, so Wissmann.
Die Hochschulinitiative des QMA wurde in diesem Jahr mit der Gründung des „Automotive Quality Instituts“ (AQI) erweitert. „Mit dem AQI haben wir eine Organisation geschaffen, die selbstständig die Themen der Qualitätsmanager mit dem Know-how der TU Berlin vorantreibt. So ist es möglich, eigene Forschungsarbeiten zu erstellen und proaktiv Themen zu besetzen. Das erste Projekt ist ein Gesamtkonzept zur Untersuchung von Schädigungen und Reparaturen von Faserverbundwerkstoffen“, betonte Wissmann. AQI-Geschäftsführer ist Arnd Schaarschmidt, Leiter der Zentralen Konzern-Qualitätssicherung der Volkswagen AG und QM-Ausschuss-Mitglied. Zusammen mit dem Stiftungslehrstuhl von Prof. Dr.-Ing. Robert Dust sei die Hochschulinitiative damit in Forschung und Lehre gut aufgestellt. Die Hochschulinitiative stelle – neben den Arbeitskreisen – die zweite Säule im QMA dar. Insbesondere der Megatrend des vernetzten und automatisierten Fahrens zeige, dass zusätzliche Aufgaben auf das Qualitätsmanagement zukommen.
Zur Globalisierungsstrategie sagte Wissmann: „Die Automobilproduktion wächst besonders stark in internationalen Märkten. Unsere Unternehmen sind zunehmend gefordert, sich global aufzustellen. Das gilt nicht nur für die großen Automobilhersteller, sondern auch für viele kleine und mittelständische Zulieferer. Für sie ist es nicht einfach, aber besonders wichtig, die Internationalisierung ihrer großen Geschäftspartner mitzugehen.“
Das VDA QMC habe seinen Internationalisierungskurs intensiv vorangetrieben. Trotz mancher Herausforderungen in den vergangenen Jahren habe sich das Engagement des QMC im internationalen Umfeld als richtig erwiesen: „Unsere Aktivitäten in China und Russland sowie der verstärkte Aufbau des weiten Lizenznehmer-Netzwerkes des VDA QMC tragen Früchte“, sagte Wissmann. China als weltweit größter Pkw-Markt habe noch enormes Potenzial, der Marktanteil der deutschen Konzernmarken betrage in China rund 20 Prozent. „Mit der Gründung einer Repräsentanz haben wir unsere Aktivitäten in China weiter ausgebaut“, betonte der VDA-Präsident.
Auch am Engagement in Russland werde das QMC weiter festhalten, trotz der aktuell schwierigen Bedingungen und der schwachen Nachfrage. Wissmann unterstrich: „Wir sind davon überzeugt, dass sich der russische Automobilmarkt mittel- und langfristig wieder erholen wird.“ Das QMC verbreite dort mit Erfolg die etablierten europäischen Qualitäts-Standards und -Instrumente. Es gehe darum, den Wettbewerb der Standards zu gewinnen.
Der VDA-Präsident ging auch auf die Elektromobilität sowie das vernetzte und automatisierte Fahren ein. Bis Ende des Jahres werden 29 Serienmodelle von Elektroautos deutscher Hersteller auf der Straße sein. Mehr als 17 Milliarden Euro habe die Industrie dafür investiert, allein die Automobilindustrie nahm 12 Mrd. Euro in die Hand. Damit Deutschland auch Leitmarkt für Elektromobilität werden könne, müssten jedoch auch die Rahmenbedingungen stimmen: „Ohne sie geht es nicht. Denn klar ist: Der Heimatmarkt ist und bleibt das Aushängeschild. Nennenswerte Wertschöpfung und hochqualifizierte Beschäftigung haben langfristig nur eine Zukunft an den Standorten, die vor Ort eine relevante Nachfrage bedienen“, betonte Wissmann und fügte hinzu:
„Ohne wirksame Impulse durch die Politik hat noch kein Land der Welt den Markthochlauf gemeistert.“
Neben modernen Antrieben biete die Digitalisierung neue Chancen: „Das automatisierte Fahren wird dazu beitragen, den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen deutlich zu reduzieren, den Bedarf an Verkehrsfläche zu begrenzen und die Sicherheit zu erhöhen“, sagte Wissmann. Das Fahrzeug von morgen werde vernetzt sein – mit anderen Fahrzeugen, mit der Umwelt, mit dem Internet. Der Fahrer werde, so Wissmann, ständig online sein und dadurch Informationen noch schneller erhalten: „Autos werden sich gegenseitig vor Verkehrshindernissen warnen. Sie melden nachkommenden Fahrzeugen, ob die Straße glatt ist oder ein Fahrzeug liegengeblieben ist. Das Auto sieht mehr als sein Fahrer, es kann quasi um die nächste Ecke blicken.“ Das sei gerade im Stadtverkehr wichtig, wo sich immer noch der größte Teil der Unfälle mit Personenschaden ereigne.
Experten zufolge spiele bei 90 Prozent aller Verkehrsunfälle menschliches Versagen eine Rolle. Künftig aber könnten die aufmerksamen Assistenten eingreifen, sollte der Fahrer abgelenkt sein. So lassen sich viele Kollisionen von vornherein vermeiden. Auch die mühsame Suche nach einem Parkplatz in der Stadt werde künftig der Vergangenheit angehören: „In Echtzeit vermitteln die Systeme dem Fahrer einen freien Stellplatz“, erläuterte Wissmann. Allein in Deutschland belaufe sich laut Prognos-Institut der Zeitaufwand für die Parkplatzsuche auf über eine halbe Milliarde Stunden pro Jahr: „Wenn wir einen Großteil davon einsparen können, ist das nicht nur eine große Erleichterung für den Autofahrer, sondern vor allem für die Umwelt“, so Wissmann.
Die deutsche Automobilindustrie habe den Anspruch, auch beim vernetzten und automatisierten Fahren Innovationstreiber zu sein: „Dafür nehmen unsere Unternehmen viel Geld in die Hand. Allein in den kommenden drei bis vier Jahren investieren die deutschen Hersteller und Zulieferer 16 bis 18 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung zum vernetzten und automatisierten Fahren.“
Der VDA-Präsident wies allerdings auch darauf hin, dass der weitreichende Wandel, der mit der Digitalisierung einhergehe, nicht allein von der Automobilindustrie selbst gemeistert werden könne. Dies gehe nur in Kooperation mit anderen Industrien und Branchen sowie mit Unterstützung der Politik: „Der volkswirtschaftliche Nutzen intelligenter Mobilität lässt sich nur realisieren, wenn der technische und regulatorische Rahmen für die digitale Infrastruktur und deren Nutzung ausgestaltet wird. Die entsprechende Infrastruktur muss jetzt rasch ausgebaut werden. Voraussetzung dafür ist ein einheitlicher Standard“, betonte Wissmann.
Notwendig sei ein rechtssicherer Rahmen für alle Beteiligten im europäischen, aber auch im globalen Kontext. Gefragt sei zudem ein Schulterschluss mit der nationalen und internationalen Politik, um die Mobilität in der Zukunft sicher, effizient und komfortabel zu gestalten.
Abschließend sprach sich Wissmann klar für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP aus, das „eines der ganz großen strategischen Projekte unserer Zeit“ sei. Die Debatte um TTIP sei „hoch emotionalisiert“, die Zahl der Kritiker wachse. „Aber wir dürfen nicht zulassen, dass diffuse Ängste und Halbwahrheiten, die einige zu verbreiten versuchen, unseren Wirtschaftsstandort nachhaltig schwächen. Wer den Freihandel fahrlässig und bewusst in Verruf bringt, schadet auch denen, denen Deutschland mit seiner wirtschaftlichen Stärke in dieser schwierigen Zeit eine helfende Hand reichen kann“, betonte Wissmann.
Quelle: vda.de