Evolution der Mororenöle: Mehrbereichs-Schmierstoff SAE 15W-40 stirbt aus, Kombi Öle werden folgen.
- Trend geht zu niedrigeren Viskositätsklassen und speziell entwickelten Ölen
- Marktanteil von 15W-40 sinkt bei Castrol in zehn Jahren von 40 auf zehn Prozent
- Mineralölbasische und teilsynthetische Schmierstoffe oft nicht mehr ausreichend
Hamburg, August 2015. Ein Motorenöl 15W-40 geht immer: Bis vor wenigen Jahren verfuhren viele Autofahrer und auch Werkstätten nach diesem Motto. Der sichere Griff zum Standard-Mehrbereichsöl wird jedoch immer seltener und innerhalb der nächsten Jahre fast komplett aussterben. Denn parallel zu den Entwicklungssprüngen in der Motorentechnik sind auch die Anforderungen an den Schmierstoff permanent gestiegen. Dieser Trend ist keineswegs abgeschlossen und Volker Clasen, Technik-Experte von Technologieführer Castrol, geht davon aus, dass nur die Anbieter überleben, die mit dem Innovationstempo der Automobilhersteller Schritt halten: „Im Mittelpunkt stehen die Kraftstoff-Effizienz und die Senkung des Flottenverbrauchs. Bei den dafür notwendigen technischen Neuerungen nimmt das Motorenöl eine Schlüsselrolle ein, denn Schmierstoffe können für eine Verbrauchssenkung von bis zu 3,5 Prozent sorgen.“ Nach den Standard-Produkten wie 15W-40-Öl erwartet Clasen, dass in einigen Jahren auch Kombi-Produkte, die bislang die Vorgaben mehrerer Hersteller erfüllen, vom Aussterben bedroht sein werden.
Aktuelle Marktsituation: Vor zehn Jahren waren klassische 15W-40-Öle im Sortenmix von Castrol mit einem Anteil von rund 40 Prozent das meistverkaufte Produkt. Dieser Anteil ist auf weniger als zehn Prozent geschrumpft. Das meistverkaufte Öl war im vergangenen Jahr ein 5W-30-Öl. Vor einer Dekade lag der Marktanteil dieses Schmierstoffs noch bei rund einem Prozent. Der Trend zu niedrigeren Viskositäten ist eindeutig. „Würden alle Autofahrer und Werkstätten zum genau richtigen Schmierstoff für das jeweilige Fahrzeug greifen, wäre der Anteil von 15W-40 und 10W-40 sogar noch geringer. Neue Motoren brauchen speziell entwickelte Produkte mit der entsprechenden Hersteller-Freigabe. Wer sich ausschließlich an der Viskositätsklasse orientiert, liegt oft falsch. Da besteht auch in vielen Werkstätten noch Nachholbedarf“, erklärt Clasen.
Technische Anforderungen: Die Optimierung konventioneller Motoren geht einher mit höheren Drücken und steigenden Temperaturen im Brennraum. Das Druckniveau aktueller Antriebe ist innerhalb eines Jahrzehnts um rund 25 Prozent gestiegen. Der effektive Mitteldruck eines modernen Downsizing-Motors hat sich im Vergleich zu einem durchschnittlichen Ottosaugmotor über alle vier Takte mehr als verdoppelt. Das Temperaturniveau liegt bei modernen Kolben inzwischen bei bis zu 350 Grad. Schmierstoffe müssen Druck und Hitze standhalten und auch unter Volllast für einen möglichst reibungsarmen Betrieb aller beweglichen Bauteile sorgen. Das optimale Zusammenspiel von Motorenöl und Aggregat hat sich somit zu einem Eckpfeiler für einen einwandfreien Betrieb und möglichst geringe Verbräuche entwickelt. So sind bei der Motorenkonstruktion neue Lösungen für eine verbesserte Kolben- oder Zylinderkühlung gefragt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und den Anteil des verbrannten Öls zu senken, ist die Stabilität des Schmierstoffs das entscheidende Kriterium. Es muss den steigenden Beanspruchungen im Motor gerecht werden sowie geringe Verdampfungsverluste und eine hohe Alterungsstabilität zeigen. Auch der steigende Anteil von Biokomponenten im Kraftstoff muss vom Schmierstoff abgefedert werden.
Zusammensetzung der Öle: Um das geforderte Leistungsniveau anzubieten, hat sich die Zusammensetzung der Öle grundlegend verändert. Zusätze (Additive) zu den Grundölen spielen eine immer wichtigere Rolle. Noch vor wenigen Jahren hatten sie in den Produkten von Castrol nur einen Anteil von rund 20 bis 25 Prozent. Inzwischen hat sich dieser Anteil nahezu verdoppelt. Die Qualität ist jedoch wichtiger als die Menge, denn beispielsweise neu entwickelte Polymere eröffnen die Chance, Schmierstoffe mit einer niedrigen Viskositätsklasse ohne Einbußen bei der Betriebssicherheit zu entwickeln.
Kombi-Öle: Schmierstoffe, die die Vorgaben verschiedener Hersteller erfüllen, bestimmen aktuell den Markt. Clasen ist überzeugt, dass sich diese Situation nachhaltig ändern wird. Für diese These spricht, dass die Anforderungen der Hersteller immer spezifischer werden und nur noch dann erfüllt werden können, wenn das Motorenöl exakt an die Motorencharakteristik angepasst wird. Deshalb sagt Clasen: „Die eierlegende Wollmilchsau gehört bei den Schmierstoffen der Vergangenheit an. Wir werden in wenigen Jahren eine deutlich gestiegene Produktvielfalt sehen.“ Zwei aktuelle Beispiele und Produktinnovationen sind Castrol EDGE Professional E 0W-20, das gemeinsam mit Jaguar entwickelt wurde, und Ford Castrol Magnatec Professional E 5W-20 für die neue Ecotec-Motorengeneration. Beide Produkte wurden so konzipiert, dass sie die technischen Weiterentwicklungen der Hersteller optimal unterstützen. „Es ist die Speerspitze der Produktneuerungen und zeigt, dass der Weg der passgenauen Entwicklung von Schmierstoffen der einzige ist, der weitere Innovationen in der Motorentechnik möglich macht – ohne Einbußen bei der Betriebssicherheit oder der Dauerhaltbarkeit der Aggregate“, sagt Clasen.
Die Zukunft: In wenigen Jahren werden für moderne Motoren mineralölbasische und selbst teilsynthetische Schmierstoffe praktisch keine Rolle mehr spielen, denn ihr Qualitätsniveau reicht nicht mehr aus. Vollsyntheseöle mit neu entwickelten Additivpaketen inklusive neuer Polymere werden den Markt beherrschen. Ein Beispiel dafür ist Castrol EDGE mit TITANIUM FST™. Durch die einzigartigen Zusätze von TITANIUM FST™ konnte die Ölfilmstärke verdoppelt werden – so wird ein Reißen des Ölfilms verhindert und die Reibung zwischen den Metalloberflächen deutlich reduziert, was ansonsten zu erheblichen Schäden an den Bauteilen im Motor führen könnte. Die Ansätze für die Motorenöle des Jahres 2020 befinden sich bereits jetzt im ersten Stadium der Erprobung in den Forschungszentren von Castrol. Möglicherweise wird dann eine Definition völlig neuer Viskositätsklassen mit veränderten Begrifflichkeiten notwendig sein, wie Clasen erläutert: „Bliebe die Logik der bisherigen Bezeichnung für die Niedrigtemperatur-Viskosität erhalten, wäre für ein optimales Kaltstartverhalten dann wahrscheinlich ein minus 20W-10-Öl notwendig.“
Quelle: www.castrol.com