Gemeinsame Studie von TÜV Rheinland, FSP und BBE Automotive belegt:
CarSharing wird die automobile Welt nicht entscheidend verändern
Wie steht es um die Zukunft des CarSharings in Deutschland? Entwickelt sich das Autoteilen in den nächsten Jahren für die Anbieter wirklich zum ganz großen Geschäft oder bleibt es auf Dauer ein Nischenprodukt? Die internetaffine Generation Web 2.0 legt zwar derzeit mehr Wert auf ein trendiges Smartphone als auf einen Pkw.
Doch wird deshalb der eigene Wagen gleich zum Auslaufmodell? Nein, lautet das überraschende und klare Ergebnis der aktuellen, validierten Gemeinschaftsstudie „CarSharing in Deutschland – Modeerscheinung oder Herausforderung für die Branche?“, die TÜV Rheinland, FSP (Fahrzeugsicherheitsprüfung) und die Kölner Beratungsgesellschaft BBE Automotive gemeinsam am Dienstag, 13. Januar 2015, in der Kölner Hauptverwaltung von TÜV Rheinland vorstellten.
Bis zu drei Millionen Nutzer im Jahr 2020 möglich
Fakt ist hingegen: CarSharing wird ein fester Bestandteil zeitgemäßer Mobilität , wenngleich sich die zum Teil erwarteten enormen Wachstumsraten nicht realisieren lassen. Derzeit nutzt rund eine Million Autofahrer die Angebote unterschiedlicher Anbieter. Laut Prognose von BBE wird sich der Markt unter den gegenwärtigenBedingungen bis zum Jahr 2020 auf etwa zwei Millionen Nutzer verdoppeln. Mit „Rückenwind“ wie durch Begünstigungen der Politik, einen festen Platz in Mobilitätsportalen, die Vernetzung unterschiedlicher Anbieter via Apps sowie den Ausbau des noch in den Kinderschuhen steckenden Corporate CarSharings (Nutzung von Firmenfuhrparks durch Mitarbeiter) könnte die Zahl der Nutzer sogar auf rund drei Millionen steigen.
Differenzierte Betrachtung der Angebote notwendig
Wichtig: CarSharing ist nicht gleich CarSharing. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass der Markterfolg zum großen Teil aus dem starken Wachstum der sogenannten Free Floater wie DriveNow (BMW/Mini/Sixt)) und car2go (Daimler/Europcar) resultiert. Hier gibt es keine festen Mietstationen. Die Fahrzeuge werden auf öffentlichen Parkplätzen in einer bestimmten Region abgeholt und wieder abgestellt – wo, spielt keine Rolle. Die Buchung erfolgt online, per App oder Telefon-Hotline. Um 347.000 (plus 189 Prozent) ist die Zahl der Free Floating-Nutzer (5.900 Fahrzeuge) von Januar 2013 bis Juli 2014 auf 530.000 gewachsen. Lediglich um 200.000 (plus 74 Prozent) erhöhte sich im selben Zeitraum die Zahl der Nutzer von stationsbasierten Angeboten wie Flinkster, cambio, Green Wheels, citeecar oder BwCarsharing (rund 9.000 Autos). Nachteil von Free Floating: Das Modell funktioniert nicht auf dem Land, scheitert in der weiten Fläche an konzentrierter Nachfrage und an der Logistik. Das private CarSharing bleibt mit rund 90.000 Nutzern und etwa 11.000 Pkw eher eine Randerscheinung.
Pkw-Bestand nimmt weiter zu
Theoretisch bietet CarSharing ein enormes Geschäftspotenzial: Etwa 60 Millionen der rund 80,7Millionen Deutschen befinden sich im „fahrfähigen Alter“ über 18 Jahre. Davon besitzen rund 75 Prozent einen Führerschein. Wie jedoch Umfragen belegen, können sich lediglich 16 Prozent (sieben Millionen) der 45 Millionen Autofahrer vorstellen, den eigenen Wagen abzuschaffen und nur noch CarSharing zu nutzen. Die Liebe der deutschen zum eigenen Auto bleibt also ungebrochen. Das belegen auch die Zulassungszahlen. Der Pkw-Bestand stieg von 2007 bis 2014 von 41,2 Millionen auf 43,9 Millionen. Für 2020 erwartet BBE rund 45 Millionen Fahrzeuge.
Aktuell greifen lediglich 1,7 Prozent (knapp eine Million) der Führerscheinbesitzer auf CarSharing-Angebote zurück. Davon springen fünf Prozent regelmäßig wieder ab. Mehr als 50 Prozent nutzen das Angebot maximal einmal pro Monat und 28 Prozent sind bei mehreren Anbietern angemeldet. Analysen von BBE ergeben zudem, dass 66 Prozent auch weiterhin das eigene Auto auf dem Weg zur Arbeit nutzen werden. Nur 34 Prozent sehen hier im CarSharing eine mögliche Alternative.
Die heimliche Hauptstadt des CarSharings ist Karlsruhe. Unterstützt durch mehrere Pilotprojekte, kommen hier 1,93 Fahrzeuge auf 1.000 Einwohner. Es folgen Stuttgart (1,38) und Köln (1,17). Im Mittelfeld liegen Düsseldorf (1,0), München (0,87) und Berlin (0,82). Das Schlusslicht bildet Hamburg mit 0,56 Autos
Zielgruppe „digitale Einwanderer und Einheimische“
Wie sieht das Profil eines klassischen CarSharers aus? Laut einer Untersuchung sind 85 Prozent der aktuellen Nutzer auch Fahrradbesitzer, 51 Prozent haben kein Auto im Haushalt, 65 Prozent sind zwischen 35 und 59 Jahre alt, 80 Prozent haben mindestens Abitur, 66 Prozent verfügenüber ein Nettoeinkommen von mehr als 3.000 Euro und 74 Prozent sind männlich. Die Zielgruppe des CarSharings sind hauptsächlich die sogenannten Digital Immigrants und die Digital Natives. Während die „digitalen Einwanderer“ (30 bis 64 Jahre) nicht mit digitalen Technologien aufgewachsen sind und sich deren Benutzung erst im Erwachsenenalter aneignen mussten, wurden die „digitalen Einheimischen“ (jünger als 30 Jahre) in die Welt der Bits und Bytes hineingeboren.
Das bedeutet: CarSharing kann über 60 Prozent der erwachsenen Bevölkerung erreichen.
Vor- und Nachteile für Verbraucher
Worin bestehen die Vor- und Nachteile von CarSharing? Für den Verbraucher entfällt beispielsweise die Anschaffung des Autos inklusive teurer Folgekosten wie
Inspektionen und Reparaturen. Die Technik in den meist neuwertigen Fahrzeugen ist in der Regel auf dem neuesten Stand. CarSharing ist umweltfreundlich und entlastet den Verkehr. Zu den Schwachstellen zählen unter anderem die erforderliche Flexibilität und keine garantierte Mobilität. Bei längerer Nutzung ist CarSharing vergleichsweise teuer und für Berufspendler nicht geeignet. Hinzu kommt der Prestigeverlust des eigenen Autos. Außerdem finden sich entsprechende Angebote hauptsächlich in Großstädten und Ballungsräumen.
Einfluss auf Aftermarket verschwindend gering
Die Studie zeigt weiterhin, dass eine Zahl von zwei beziehungsweise drei Millionen Nutzern mit 26.000 oder 39.000 Fahrzeugen auch im Jahr 2020 den Aftermarket (Werkstatt- und Ersatzteilgeschäft) nur unwesentlich beeinflussen wird. Der entgangene Umsatz liegt unter einem Prozent.Für Hersteller und Händler können sich durch CarSharing durchaus positive Aspekte ergeben: Begeisterung der Kunden für Marke, Modelle und Unternehmen; Sicherung der Kunden von morgen; neue Kooperationschancen; zusätzliche Wartungs- und Reparaturpotenziale erschließen sowie Interessenten an innovative Technologien heranführen.
Bleibt festzuhalten:
CarSharing liegt im Trend,
- ist als zusätzliche Mobilitätsalternative zwar mehr als eine Modeerscheinung, wird aber die automobile Welt vorerst nicht entscheidend beeinflussen;
- passt in die Lebenswelt der onlineaffinen Menschen, deckt aber nicht immer den individuellen Mobilitätsbedarf;
- wird als ergänzendes Mobilitätsangebot in der Nische präsent sein und weiter Interessenten finden.
CarSharing funktioniert nicht überall,
- kann aber nur in bestimmten Ballungsgebieten weiter wachsen;
- kann dort aber nur ergänzend wirken;
- kann derzeit keine garantierte und breite Mobilität sicherstellen.
Die Menschen wollen ein eigenes Auto,
- aktuell keine Verweigerung gegenüber dem eigenen Wagen nachweisbar – das gilt auch für Großstädte;
- für jüngere Verbraucher hat das Auto nicht mehr den Stellenwert der Vergangenheit;
- wenn auch zeitverzögert, werden junge Menschen weiterhin zum eigenen Pkw tendieren.
CarSharing wird die automobile Welt nicht entscheidend verändern,
- keine gravierenden Marktveränderungen zu erwarten;
- für Fahrzeughersteller und auch Händler ergeben sich Chancen, potenzielle Kunden an das Produkt heranzuführen.
Die Studie basiert auf fundierten Fakten
Grundlage der Gemeinschaftsstudie von TÜV Rheinland, FSP und BBE Automotive, die auf fundierten, überprüfbaren Fakten basiert, sind unter anderem detaillierte Analysen des Anbieterspektrums, Recherchen in den relevanten Online- und Printquellen, OnlineBefragungen von BBE in Städten mit CarSharingAngeboten, Analysen anderer nationaler Befragungen zum Thema CarSharing, Befragungen der Anbieter von CarSharing-Leistungen, Expertengespräche, Analyse der Pkw Bestandsdaten des Kraftfahrtbundesamts, Darstellung der Entwicklung der Pkw-Bestände in Metropolen und ausgewählten ländlichen Räumen sowie Analyse der Bevölkerungsdaten des Statistischen Bundesamtes.
Quelle: www.tuv.com